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■ Nach dem gerechten Krieg ein gerechter Frieden?Indien darf nicht ausruhen

Indische Zeitungen brachten gestern auf der ersten Seite das Foto von zwei Soldaten, die einen Sarg zu Grabe trugen. Der Sarg war mit den pakistanischen Farben beflaggt, doch die Soldaten waren Inder, und der Friedhof befand sich im indischen Srinagar. Das Bild war ein Ausdruck für den sublimen Triumph, den Indien in seinem jüngsten Konflikt mit seinem Nachbarn errungen hat: Pakistan hatte seinen gefallenen Soldaten die letzte Ehre verweigert, weil es damit zugegeben hätte, daß es bei der Infiltration und Besetzung indischen Territoriums die Hände im Spiel hatte. Es bot Indien Gelegenheit, zu demonstrieren, daß es ein Land ist, in dem alle Religionen willkommen sind, daß im Tod der Haß wegfällt, daß es Soldaten nicht als Kanonenfutter für eine doppelzüngige Machtelite mißbraucht.

In dieser Geste liegt ein Grund für den Sieg Indiens in einem Konflikt, der die beiden Atomstaaten bis nahe an ihren vierten Krieg in fünfzig Jahren geführt hat. Indiens Reaktion auf die pakistanische Provokation war zunächst verworren, wurde aber bald immer bestimmter, als Indien der Herausforderung gewahr wurde. Pakistans Versuch, einen Teil indischen Territoriums wegzuschnappen, mobilisierte einen nationalen Schulterschluß. Er richtete sich nicht in erster Linie gegen den Feind, sondern für die Bereinigung erlittenen Unrechts. Und er motivierte die Armee, die ungünstige taktische Ausgangslage – gut versorgte Stellungen auf Bergspitzen über 5.000 Metern Höhe – in einen Sieg zu verwandeln.

Es ist Indien gelungen, die Öffentlichkeit weltweit von seinem gerechten Handeln zu überzeugen. Die Begräbnisse für pakistanische Soldaten in indischer Erde sollen dem Nachbarn und nun der Welt beweisen, daß eine säkulare Nation wie Indien einer islamistischen wie Pakistan vorzuziehen ist. Indien appelliert dabei auch an die internationale Unlust, den Status quo etablierter Grenzen zu verändern – gerade dann, wenn er durch religiöse Ideologien herausgefordert wird.

Aber Indien darf nicht glauben, daß mit der Wiederherstellung des früheren Zustands der Kaschmir-Konflikt aus der Welt geschafft ist. Es muß sich nun ernsthaft um eine einvernehmliche Lösung kümmern. Sonst könnte es sein, daß mit der internationalen Aufmerksamkeit, die der Konflikt erhalten hat, Pakistan schließlich doch noch als Sieger aus diesem Lokalkrieg hervorgeht. Ein gerechter Krieg war dies nur, wenn auch der Friede gerecht ist.

Bernard Imhasly

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