Nach dem Putschversuch in Benin: Eine gefährliche Blockkonfrontation in Westafrika
Nigeria und Elfenbeinküste helfen Benin, den Putschversuch vom Sonntag zu besiegen. Jetzt geht das Putschregime in Burkina Faso auf Konfrontation.
Der fehlgeschlagene Putschversuch in Benin treibt antiwestliche Militärregierungen und prowestliche Zivilregierungen in Westafrika an den Rand einer bewaffneten Konfrontation. Burkina Faso, wo seit 2022 das Militär regiert, zwang am Montag ein Transportflugzeug aus Nigeria zur Landung auf dem Flughafen Bobo Dioulasso im Westen des Landes und verhaftete die zweiköpfige Crew sowie neun nigerianische Soldaten an Bord der Maschine.
Das Flugzeug habe ohne Erlaubnis Burkina Fasos Luftraum überflogen, teilten die Behörden zur Begründung mit. Die Allianz der Sahel-Staaten (AES), eine von den Militärregierungen in Mali, Niger und Burkina Faso gegründete Konföderation, nannte den Überflug einen „unfreundlichen Akt“.
Die Luftabwehr der drei Staaten, so die von Malis Präsident Assimi Goïta unterzeichnete Erklärung weiter, sei angewiesen worden, „jedes Flugobjekt zu neutralisieren, das den konföderalen Luftraum verletzt“. Diese Formulierung ermächtigt auch einen möglichen Abschuss.
In Benin hatte am Sonntagmorgen eine Gruppe meuternder Soldaten den Sturz des gewählten Präsidenten Patrice Talon verkündet. Wenige Stunden später verkündete Benins Regierung die Niederschlagung des Umsturzversuchs. Am Sonntagabend flog Nigerias Luftwaffe Angriffe in Cotonou. „Multiple Präzisionsschläge“ hätten beninische Militärfahrzeuge auf dem Weg aus Cotonou heraus getroffen, hieß es.
„Präzise Luftangriffe“ in Cotonou
Am späten Montag veröffentlichte Benins Regierung eine ausführliche Schilderung der Ereignisse. Demnach hätten die Putschisten am frühen Sonntagmorgen mehrere hohe Militärangehörige gekidnappt. Bei „schweren Kämpfen“ vor der Residenz des Präsidenten seien sie zurückgeschlagen worden und hätten sich daraufhin ins Gebäude des Fernsehsenders gerettet, von dem aus sie dann ihre Erklärung ausstrahlen ließen. Von dort zogen sie sich in ihr Hauptquartier in der Armeebasis Togbin zurück, die in einem dichtbesiedelten Gebiet liegt. Mit „präzisen“ Luftangriffen, unterstützt von Nigeria, hätten die loyalen Streitkräfte die Basis zurückerobert.
Es gebe „Todesopfer auf beiden Seiten“, erklärte die Regierung. Der gekidnappte Armeechef, General Abou Issa, und der ebenfalls gekidnappte Chef der Nationalgarde, General Faisou Gomina, wurden erst am Montag in der Stadt Tchaourou 350 Kilometer nördlich von Cotonou freigelassen. Dies deutet darauf hin, dass die Putschisten nicht komplett besiegt wurden. Ihr Anführer Oberst Patrice Tigri, ein ehemaliger UN-Blauhelmsoldat in Mali, war am Dienstag weiter auf der Flucht.
Neben Bodentruppen aus Nigeria seien bei den Kämpfen auch Spezialkräfte aus der Elfenbeinküste zum Einsatz gekommen, so Benins Regierung. Ob das ivorische oder französische Spezialkräfte waren, blieb offen. Frankreichs Präsidialamt erklärte am Dienstag, man habe Benins Armee „logistische Unterstützung sowie Überwachungs- und Beobachtungshilfe“ geleistet.
Man habe als „Verteidiger und Beschützer der verfassungsmäßigen Ordnung in Benin auf Einladung der Regierung“ agiert, erklärte Nigerias Präsident Bola Tinubu in der Nacht zum Montag. Die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) hatte am Sonntagabend die Entsendung einer Eingreiftruppe aus Nigeria, Ghana, der Elfenbeinküste und Sierra Leone nach Benin beschlossen, um „die Regierung und die republikanische Armee zu unterstützen“.
Zwei rivalisierende Staatenbündnisse
Die Ecowas stellt sich regelmäßig gegen Putschisten in Westafrika. Die aus Militärputschen hervorgegangenen Regierungen von Mali, Burkina Faso und Niger sind deswegen aus Ecowas ausgetreten und haben mit der AES ein rivalisierendes Staatenbündnis gegründet, das sich als Befreier Westafrikas von neokolonialen Abhängigkeiten vor allem von Frankreich inszeniert. Die Putschisten standen dem souveränistischen AES-Diskurs nahe und werden von deren medialen Kanälen gefeiert, ihre Erklärungen wurden angeblich von Webseiten in Burkina Faso verbreitet.
Am Dienstag beantragte Nigerias Präsident Tinubu förmlich im Parlament die Erlaubnis, Truppen in Benin zu stationieren. Zugleich zirkulierten Gerüchte, wonach weitere Einheiten der beninischen Streitkräfte in den Aufstand getreten seien.
Ob die regionale Lage weiter eskaliert, wird sich auch am Schicksal der in Burkina Faso festgesetzten nigerianischen Soldaten messen. Warum das Militärflugzeug überhaupt aus Benin Richtung Westen nach Burkina Faso flog statt Richtung Osten zurück nach Nigeria, ist ein Rätsel. Offiziell war die Maschine auf dem Weg nach Portugal.
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