Nach dem NBA-Titel für die Lakers: Die zwei Größten
LeBron James war der Star der NBA-Finals. Nun tobt der Streit, ob er größer ist als Michael Jordan. In jedem Fall ist James der politischere Profi.
B ERLIN taz Jetzt geht’s wieder los. Wer ist der Größte? Die aufgrund von Corona und der Black-Lives-Matter-Proteste bisweilen bizarre Spielzeit der NBA war gerade zu Ende gegangen, die Los Angeles Lakers hatten die Miami Heat in der Finalserie in der Anti-Covid-Blase von Orlando mit 4:2 bezwungen, da möchte mancher nun, da LeBron James seinen vierten Titel gewonnen hat, die Geschichtsbücher umschreiben. Die große Frage: Ist Michael Jordan immer noch der beste Basketballspieler aller Zeiten? Oder hat ihn LeBron James jetzt abgelöst?
Eine Diskussion, die in den diversen Sport-Talkshowformaten und den Kommentarspalten mit Vehemenz geführt wird – und bisweilen absurde Formen annimmt. Da werden Zahlen gewälzt, Punkte gegeneinander verrechnet und Auszeichnungen addiert. Was zählt mehr? Die sechs Titel von Jordan mit den Chicago Bulls oder die vier von James mit jetzt drei verschiedenen Klubs? Spricht es für James, dass er insgesamt zehn Finalserien erreichte, vier mehr als Jordan? Spricht es für Jordan, dass er alle sechs Finals, in denen er stand, auch gewann?
Ist der alles überragende Korbjäger Jordan wertvoller für eine Mannschaft? Oder der perfekt austarierte Allrounder James, der nicht nur Punkte sammelt, sondern auch Assists und Rebounds – und außerdem auch noch auf dem Platz als Chefcoach und hinter den Kulissen als Schattenmanager agiert? Und ist es nicht unfair, dass James mit Anthony Davis einen Mitspieler nach Los Angeles gelotst hat, der in jeder anderen Mannschaft der unbestrittene Superstar wäre? Aber dafür hatte Michael Jordan ja einen gewissen Scottie Pippen!
Nimmermüder Basketballaktivist
Es ist eine Diskussion, die niemals entschieden sein wird. Zu unterschiedlich, nicht zu vergleichen sind die Zeiten, die Basketballregeln und die Umstände. Das Spiel ist ein vollkommen anderes, vom Begleitrauschen ganz zu schweigen. Als die Bulls 1998 ihren sechsten Titel gewannen, war Jordan endgültig zur Ikone geworden, hatte die NBA im Alleingang globalisiert und hörte – körperlich ausgebrannt und mental ausgezehrt von der medialen Aufmerksamkeit – mit 35 Jahren schon zum zweiten Mal mit dem Basketball auf. Auch James ist jetzt 35 Jahre alt, war schon als Teenager ein globales Phänomen, muss nicht nur die klassischen Medien, sondern auch eine Social-Media-Flut bewältigen – und denkt noch lange nicht an Rücktritt.
James dürfte sich seiner Rolle sehr wohl bewusst sein. Wenn Jordan für die NBA die internationalen Märkte geöffnet hat, ist James dafür verantwortlich, dass sich die wirtschaftliche Macht innerhalb der NBA verschoben hat – von der Liga hin zu den Profis. Dieser Paradigmenwechsel hat auch eine politische Dimension, wenn nicht mehr die fast durchgängig weißen Klubbesitzer allein bestimmen, mit wem, wo und unter welchen Bedingungen die vorwiegend Schwarzen Profis spielen.
Das ist dann wohl der größte Unterschied zwischen den beiden Größten. Jordan begründete seine politische Indifferenz einst mit dem mittlerweile berüchtigten Zitat, dass auch Republikaner Turnschuhe kaufen würden. James dagegen hat sich immer auch als Repräsentant eines Schwarzen Amerika verstanden, als Vertreter einer unterdrückten Minderheit, der sich politisch äußert und gesellschaftlich arbeitet.
Als in der Blase von Orlando viele Spieler unzufrieden waren, dass sie ein Gladiatorenspektakel ablieferten, während draußen ihre Brüder und Schwestern gegen Rassismus auf die Straße gingen, war James prägende Figur und Sprachrohr und stellte den Abbruch der Playoffs zur Diskussion. Es gab einen Augenblick, da hatten die von James geführten Lakers beschlossen, die Blase zu verlassen und den Titel dranzugeben. Die Liga machte weitere Zugeständnisse, die Saison konnte gerettet werden, die Lakers blieben – und gewannen schließlich den Titel.
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