Nach dem Linken-Wahldesaster: Linksfraktion: Aus Alt mach Neu
Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch bleiben Fraktionsvorsitzende. Als Bundestagsvizepräsidentin kandidiert Petra Pau.
Auch der Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte wurde mit über 80 Prozent im Amt bestätigt. Für den Posten der Vizepräsidentin des Bundestags schlägt die Linke erneut Petra Pau vor. Damit setzt die Fraktion nach dem Desaster bei der Bundestagswahl auf personelle Kontinuität.
Die Linkspartei halbierte ihr Ergebnis am 26. September nahezu und erreichte nur 4,9 Prozent. Dass es sie als Fraktion überhaupt noch gibt, verdankt die Partei drei Direktmandaten und einer Besonderheit der Geschäftsordnung. Selbst wenn weniger als 5 Prozent der Wähler:innenstimmen für eine Partei votieren, darf sie mit drei direkt gewählten Abgeordneten entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis in den Bundestag einziehen. Unter den 736 Abgeordneten des Bundestages stellt die Linke nur 39. Da diese aber mehr als 5 Prozent entsprechen, gelten die Linken dennoch als Fraktion, auch wenn sie nunmehr die kleinste sind.
Das katastrophale Abschneiden bei der Bundestagswahl lasten nicht wenige Genoss:innen auch der Fraktionsspitze, vor allem Dietmar Bartsch an. Der war auch Spitzenkandidat im Wahlkampf. Das von ihm geschmiedete Machtbündnis in der Fraktion von Teilen der orthodoxen Linken und der Pragmatiker habe „toxisch“ gewirkt, hieß es. Debatten wurden nicht mehr inhaltlich, sondern nach Lager geführt. Zudem gaben bei heiklen Themen, etwa in der Außenpolitik, radikale Minderheiten den Ton an und forderten unter anderem Solidarität mit Venezuela.
Rufe nach Neuaufstellung
In den Wochen seit der Wahl waren daher Rufe nach einer Neuaufstellung der Fraktion laut geworden. Das forderte etwa der ehemalige Parteivorsitzende Bernd Riexinger in einem Thesenpapier zur Wahlauswertung. „Das Bündnis von Teilen der Reformer mit den Traditionalisten um Wagenknecht hat die Fraktion gelähmt“, schreibt Riexinger. „Eine Fortsetzung wäre inhaltlich perspektivlos.“
Als mögliche neue Fraktionsvorsitzende waren sowohl Korte als auch die Parteivorsitzende Janine Wissler im Gespräch. Auch der Gewinner des Leipziger Direktmandats Sören Pellmann hätte sich den Posten zugetraut. Keiner der drei trat aber letztendlich gegen Bartsch und Mohamed Ali an. Denn Kampfkandidaturen und ein erneuter Machtkampf sollten auf jeden Fall vermieden werden.
Verantwortung für das schlechte Abschneiden wies Bartsch von sich ab. Er nannte vielmehr die Zerstrittenheit der Partei als einen Grund. „Das muss aufhören.“
Antrag auf Rücktritt abgelehnt
Der Parteivorstand hatte am Wochenende einen Antrag abgelehnt, in dem Bartsch und Mohamed Ali aufgefordert wurden, ihre Ämter aufzugeben. Die Vorstandsmitglieder beschlossen aber, dass Parteiführung und Fraktion künftig enger zusammenarbeiten sollen. „Wir müssen nach einem solchen Ergebnis grundlegender nachdenken als über einen Gesichtertausch“, heißt im Beschluss, der der taz vorliegt. Partei und Fraktion sollten im nächsten Jahr eine Zukunftsperspektive erarbeiten, „der dann strategische und personelle Konsequenzen folgen können“.
Auf die Linksfraktion kommen nach Mohamed Ali schwierige Zeiten zu. „Wir werden mit weniger Mitteln und weniger Personal arbeiten. Deshalb werden wir effektiver arbeiten und Schwerpunkte setzen müssen.“
Am Mittwoch und Donnerstag trifft sich die Linksfraktion zur vertieften Besprechung in Leipzig. Dort will sie auch die übrigen Mitglieder des Fraktionsvorstands inklusive der Stellvertreter:innen wählen. Wie viele das sein werden, stand zu Redaktionsschluss noch nicht fest.
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