Nach dem Granatenangriff: Die Supermächte sind ratlos
Während die USA einen Flugzeugträger für ein Manöver nach Korea schicken, hoffen viele auf China. Doch Peking winkt ab: Der Einfluss auf Nordkorea sei begrenzt.
PEKING taz | Einen Tag nach dem nordkoreanischen Granatenangriff auf die Insel Yeonpyeong ist die Zahl der Todesopfer auf vier gestiegen: Außer den zunächst gemeldeten zwei getöteten Soldaten wurden in den Ruinen eines Hauses auf der Insel die Leichen zweier Zivilbewohner gefunden. Unklar blieb weiterhin, ob es auch in Nordkorea Tote oder Verletzte gab, als die südkoreanische Armee Stellungen im Norden beschoss.
Zahlreiche Staaten unterstützten am Mittwoch Südkorea: US-Präsident Barack Obama bekräftigte in einem Telefongespräch mit seinem Amtskollegen Lee Myung Bak die "Solidarität" der USA mit Seoul, das zu Washingtons engsten Verbündeten zählt. Rund 28.000 US-Soldaten sind im Süden stationiert. Die Flotten beider Länder werden am kommenden Sonntag ein lange geplantes Manöver in den Gewässern vor der Halbinsel starten. Obama schickte den atombetriebenen Flugzeugträger "USS George Washington" von seinem Stützpunkt in Japan Richtung Korea.
In einem Fernsehinterview rief Obama die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf Nordkorea auszuüben. Erst vor kurzem hatte Obama ein Dekret erlassen, das US-Amerikanern verbietet, mit der Daesung-Bank und einer weiteren Firma aus Nordkorea zusammenzuarbeiten. Begründung: Beide seien für Pjöngjang in Drogenhandel und andere illegale Geschäfte verwickelt.
Die US-Regierung tut sich schwer im Umgang mit Nordkorea. Ex-Präsident Jimmy Carter rief Obama am Mittwoch in der Washington Post dringend dazu auf, eine neue Strategie zu versuchen und sich nicht zu eng an die südkoreanische Regierung zu binden. Präsident Lee fährt derweil einen scharfen Kurs gegenüber dem Norden.
Statt weiterhin darauf zu bestehen, dass Nordkorea als Vorbedingungen für ernsthafte Verhandlungen sein Atomprogramm vollständig aufgibt, müsste Washington dringend mit Kim direkt über einen Friedensvertrag Verhandeln, forderte Carter. Der Koreakrieg (1950 bis 1953) ist formal nicht beendet, da sich die Gegner damals nur auf einen Waffenstillstand einigen konnten.
Ähnlich wie Carter argumentieren Korea-Fachleute in China. "Nordkorea macht Druck, zu den Verhandlungen zurückzukehren", erklärte Cui Zhiying von der Tongji-Universität in Schanghai. Cui meint die Sechs-Parteien-Gespräche, die seit fast zwei Jahren unterbrochen sind. An ihnen nehmen außer den beiden Koreas, China und den USA auch Japan und Russland teil. Ziel ist eine atomwaffenfreie Koreanische Halbinsel.
Derweil sondierte der US-Sondergesandte Stephen Boswell die Lage in Peking. Nach einem Treffen mit chinesischen Diplomaten hieß es vage: "Beide Seiten glauben, dass alle Parteien gemeinsame Anstrengungen unternehmen sollten, um die Bedingungen für eine Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zu schaffen."
Viele Staaten hoffen, China könnte auf den nordkoreanischen Verbündeten einwirken, sich weniger aggressiv aufzuführen. Doch Pekinger Funktionäre werden nicht müde zu erklären, dass sie "wenig Einfluss" auf die Entscheidungen des Kim-Regimes haben. Bei seinem letzten Besuch in China im August sei Kim von seinem Gastgeber, Staats- und Parteichef Hu Jintao, ermahnt worden, "besser zu kommunizieren", berichteten Hongkonger Zeitungen. Doch auch Peking scheint von der Militäraktion Nordkoreas überrascht worden zu sein.
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