Nach dem Drama von Lampedusa: Für Regierung ist das Boot voll genug
EU-Politiker fordern: Mehr Flüchtlinge nach Deutschland. Regierungssprecher Seibert entgegnet, die Bundesrepublik erfülle schon ihre Pflicht.
BERLIN/BRÜSSEL/LAMPEDUSA afp/rtr/ap | Nach der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa will die Bundesregierung auf europäischer Ebene über die Regelungen zur Flüchtlingspolitik sprechen. Nach einer „menschlichen Katastrophe dieses Ausmaßes“ sei es selbstverständlich, die bisherigen Regeln zu hinterfragen und zur Vermeidung ähnlicher Fälle über Verbesserungen nachzudenken, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Dies bedeute aber nicht unbedingt, dass es Verbesserungen geben müsse.
Seibert sagte weiter, der Schlüssel zur Lösung dazu, dass sich solche Katastrophen nicht wiederholten, liege langfristig in den Herkunftsländern und der Verbesserung der dortigen Lebensverhältnisse.
Ferner entgegnete Seibert auf Forderungen, dass die Bundesrepublik künftig mehr Flüchtlinge aufnehmen solle, dass Deutschland schon heute eine große Zahl von Asylanträgen positiv bescheide und „durchaus das tut, was seiner Größe und seiner Bevölkerungszahl in Europa entspricht“. Das Bundesinnenministerium wies darauf hin, dass Italien im vergangenen Jahr 15.000 Asylbewerber aufgenommen habe, Deutschland hingegen 65.000.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), hatte gesagt, dass Flüchtlinge in Zukunft gerechter auf die EU-Staaten verteilt werden müssten. „Das heißt auch, dass Deutschland zusätzliche Menschen aufnehmen muss“, verlangte er in der Bild-Zeitung.
Auch EU-Energiekommissar Günther Oettinger plädierte für eine Überprüfung der europäischen Flüchtlingspolitik. Es stelle sich die Frage, ob es einen Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU brauche, äußerte der CDU-Politiker in Berlin. Bisher muss sich das Land um die Flüchtlinge kümmern, über das sie in die EU einreisen.
„Jetzt müssen wir in den Laderaum“
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso will nach Angaben der Kommission am Mittwoch nach Lampedusa reisen, um die „Unterstützung und Solidarität Europas zu demonstrieren“. Am Tag darauf stimmt das Europäische Parlament über das Grenzüberwachungssystem Eurosur ab, das im Dezember starten soll.
Eurosur soll die Kommunikation zwischen den EU-Staaten verbessern und so helfen, illegale Einwanderung zu erkennen und zu vermeiden sowie die grenzüberschreitende Kriminalität zu bekämpfen. Europa-Abgeordnete hatten sich dafür starkgemacht, auch die Rettung von Flüchtlingen in Gefahr zur Aufgabe von Eurosur zu machen.
Am Donnerstagmorgen war ein Schiff mit Flüchtlingen, die überwiegend aus Somalia und Eritrea stammten, wenige hundert Meter vor der Küste der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gekentert. Bis Montagmittag wurden 194 Leichen geborgen, nur 155 Bootsinsassen konnten gerettet werden. Da die genaue Zahl der Passagiere nicht bekannt ist, gehen die Behörden davon aus, dass zwischen 320 und 360 Flüchtlinge bei dem Unglück ums Leben kamen.
Bislang seien Leichen außerhalb des Schiffswracks und von der Kommandobrücke des Schiffs geborgen worden, erklärte Filippo Marini von der Küstenwache. „Jetzt müssen wir in den Laderaum gelangen“, sagte er.
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