Nach dem Anschlag in Ankara: Attentäter sind identifiziert
Die Täter sollen aus dem IS-Umfeld stammen, einer soll der Bruder des Suruç-Attentäters gewesen sein. Die Opposition sagt alle Kundgebungen ab.
Alagöz ist der ältere Bruder des Selbstmordattentäters von Suruç, der am 20. Juli 33 überwiegend junge Menschen in einem Kulturzentrum in der Grenzstadt gegenüber von Kobani getötet hatte. Alagöz und Dündar kamen laut Hürriyet am Vortag des Attentats, also am vergangenen Freitag, in zwei Autos von Gaziantep nach Ankara. Ein Komplize machte sie dort mit den Örtlichkeiten vertraut.
Dieser Komplize und die beiden Fahrzeughalter, deren Autos die Attentäter benutzt hatten, sind inzwischen verhaftet worden. Die beiden mutmaßlichen Attentäter sollen zuvor illegal aus Syrien in die Türkei eingereist sein.
Alagöz war ein bekannter Islamist und IS-Anhänger. Er gründete vor längerer Zeit in seinem Heimatort Adıyaman im Südosten der Türkei eine IS-Sympathisantengruppe, zu der auch sein jüngerer Bruder gehört hatte und wohl auch Dündar, der zweite Attentäter von Ankara. Die Adıyaman-Gruppe ist seit Langem polizeibekannt.
Versäumnisse der Geheimdienste
Angeblich wurde schon seit dem Attentat von Suruçnach Alagöz gefahndet. Er soll sich nach dem Suruç-Anschlag seines Bruders aber nach Syrien abgesetzt haben. Beide Brüder und andere Mitglieder der Adıyaman-Gruppe wurden in Syrien vom IS an Waffen ausgebildet und offenbar auch als Selbstmordattentäter trainiert.
All das war der Polizei und dem Geheimdienst bekannt. Aufgrund der massiven Kritik an den Sicherheitskräften sind deshalb jetzt der Polizeichef von Ankara und zwei Leiter des polizeilichen Staatsschutzes von Ankara vom Dienst suspendiert worden. Selbst Präsident Recep Tayyip Erdoğan räumte am Dienstagnachmittag während einer Pressekonferenz mit seinem finnischen Kollegen ein, dass es offensichtlich Versäumnisse bei Polizei und Geheimdiensten gegeben habe.
Am Mittwochvormittag legte Erdoğan Nelken am Ort des Attentats nieder, nachdem in den Tagen zuvor schon sein Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu wie auch alle EU-Botschafter gemeinsam bereits am Tatort kondoliert hatten.
Angst vor Anschlägen
Während die Opposition und allen voran die kurdisch-linke HDP der Regierung eine Mitschuld an dem Attentat gibt, weil diese viel zu wenig gegen IS-Terroristen in der Türkei getan habe, versucht die Regierung trotz der Täterschaft des IS immer noch hartnäckig, auch der PKK eine Mitschuld anzuhängen.
Am Mittwoch wurde ein Mann verhaftet, der angeblich Mitglied der PKK sein soll und einen Tag vor dem blutigsten Anschlag in der türkischen Geschichte unter dem Pseudonym „Dr. Bereday“ einen Tweet ins Netz gestellt hatte: „Morgen wird eine Bombe in Ankara hochgehen“. Über seine IP-Adresse wurde der Mann mit dem Namen Mehmet Serhat Polatsoy identifiziert und festgenommen. Zwei weitere Tweets von ihm deuten allerdings darauf hin, dass er nur die Befürchtung artikulieren wollte, dass der IS die Friedenskundgebung in Ankara angreifen könnte.
Die Opposition hat unterdessen angekündigt, als Konsequenz aus dem Terroranschlag alle Großkundgebungen im Wahlkampf abzusagen. CHP-Chef Kemal Kılıçdaroğlu und der Ko-Chef der HDP, Selahattin Demirtaş, sagten, sie könnten ihre Anhänger nicht noch einmal dem Risiko eines Attentats aussetzen, da die Polizei ja offenkundig nicht für die nötige Sicherheit sorgen könnte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge