Nach Vulkan-Ausbruch in Island: Aschewolke legt Flugverkehr lahm
Wegen der Aschewolke eines isländischen Vulkans muss der Luftraum in Teilen Deutschlands geschlossen werden. Auch im restlichen Europa wurden Hunderte Flüge gestrichen.
Der heftige Vulkanausbruch auf Island hat am gestrigen Donnerstag den Flugverkehr in weiten Teilen Europas lahmgelegt. Rund ein Viertel aller Flüge in Europa ist am Donnerstag nach Angaben der Europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol ausgefallen; jeden Tag gibt es in Europa 28.000 Flugbewegungen. Ursache für die Ausfälle ist die gewaltige Staubwolke, die der Vulkan am Gletscher Eyjafjallajökull bereits am Mittwoch in die Luft geschleudert hat. Die kilometerhohe Staub- und Aschewolke breitete sich mit dem Wind Richtung Südosten aus. Sollten Flugzeuge durch die Aschewolke fliegen, könnten ihre Triebwerke ausfallen, was im schlimmsten Fall zum Absturz führt. Meteorologen gehen davon aus, dass sich die Staubwolke erst in einigen Tagen aufgelöst haben wird; zudem kommt es immer wieder zu neuen Eruptionen des Vulkans.
Am Donnerstag schlossen nach und nach mehrere Länder - von Norwegen über Dänemark, die Niederlanden, Belgien bis Irland und Großbritannien - ihren Luftraum wegen der riesigen Wolke aus Lavaasche. Da der Wind über Mitteleuropa am Freitag auf Nordwest drehen sollte, dürfte die Wolke auch Deutschland erreichen, erwarteten Wetterexperten. Bis Donnerstagnachmittag wurden in Deutschland schon rund 300 Flüge gestrichen.
Das Flugverbot über Großbritannien löste vor allem in London Chaos aus. Allein am internationalen Drehkreuz Heathrow starten und landen täglich rund 1.300 Maschinen mit 180.000 Passagieren an Bord. Philip Avery vom Meteorologischen Institut in London sagte, es könnte mehrere Tage dauern, bis sich die Asche setzt, sodass auch in den nächsten Tagen mit Behinderungen des Flugverkehrs zu rechnen sei. Die Eisenbahngesellschaften setzten zusätzliche Züge von London in den Norden und nach Schottland ein. In ganz Großbritannien waren nur noch Notfall-Flüge zugelassen.
"Die Flugsicherheitsbehörde hat alle Gründe, sehr vorsichtig zu sein nach dem, was mit dem britischen Jumbo Jet 1982 passiert ist", sagte Avery. Damals geriet ein British-Airways-Flug von London nach Auckland in eine Aschewolke des Mount Galunggung auf Java in Indonesien. Alle vier Triebwerke fielen aus, aber das Flugzeug schaffte es im Gleitflug aus der Wolke, sodass drei Triebwerke wieder gestartet werden und das Flugzeug in Jakarta notlanden konnte.
Die rund 500 Kilometer breite Aschewolke aus Island könne sich bis nach Deutschland ausbreiten, sagte Jörg Riemann vom privaten Wetterdienst Meteogroup der taz. Am Freitag werde der Wind über Deutschland auf Nordwest drehen. "Dann kriegen wir einen Streifschuss ab, die nächsten ein bis zwei Tage kann uns die Staubwolke beschäftigen." Nach und nach werde sich die Staubwolke aber auflösen, indem ein Teil der Staubpartikel zu Boden sinke. Am Erdboden werde man das kaum spüren, es könne allenfalls einen leichten Staubregen geben, wie man ihn bei uns manchmal nach Sandstürmen in der Sahara feststelle.
Unklar ist derzeit, wie viel Asche der aktive Vulkan noch in die Luft spuckt. Der isländische Geophysiker Einar Kjartansson sagte, der Vulkan werde voraussichtlich noch tagelang Asche spucken. Wohin die Staubwolke dann treibe, hänge von Wind und Wetter ab. Da der Wind derzeit die Asche aus Island fortweht, ist der internationale Flugverkehr auf der Insel selbst derzeit nicht betroffen.
Relativ sicher scheint bislang zu sein, dass die Staubwolke keine größeren Klimaeffekte hat. "Dafür ist sie zu klein", sagte Meteorologe Riemann. Größere Staubwolken können die Strahlung der Sonne auf die Erde einschränken, auf der Erde würde es dann kälter werden. 1816 hatte es in Europa und Nordamerika ein Jahr ohne Sommer gegeben; in Folge von Missernten waren hunderttausende Menschen gestorben. Wissenschaftler machen dafür einen gigantischen Vulkanausbruch mit heftigen Ascheregen verantwortlich, der sich im Jahr zuvor in Indonesien ereignet hatte.
Kaum absehbar sind derzeit die wirtschaftlichen Folgen, sollte der Flugverkehr in Europa über ein oder mehrere Tage eingeschränkt sein. Sehr konkret waren am Donnerstag aber schon die Auswirkungen auf eine königliche Feier in Dänemark. Dänemarks Königin Margrethe II. musste ihre Gästeliste für den 70. Geburtstag am Freitag in letzter Minute zusammenstreichen. Sie rechnete unter anderem nicht mehr mit dem spanischen König Juan Carlos und der niederländischen Königin Beatrix, da der dänische Luftraum bis mindestens Freitagnachmittag gesperrt wurde. Königliche Gäste aus Schweden und Norwegen wurden mit entsprechenden Verspätungen erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt