Nach Verfassungsbeschwerde: Computer abgewählt
Nach mehreren Beschwerden hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Der Einsatz von Wahlcomputern bei der letzten Bundestagswahl war verfassungswidrig.
KARLSRUHE taz Der Einsatz von Wahlcomputern verstößt gegen das Grundgesetz, wenn die Geräte keine nachträgliche Kontrolle des Wahlgangs erlauben. Das entschied am Dienstag das Bundesverfassungsgericht auf Klage zweier Bürger aus Hessen (siehe Interview). Der 2005 gewählte Bundestag muss aber nicht aufgelöst werden.
Bei der letzten Bundestagswahl kamen in rund 60 Kommunen Wahlcomputer zum Einsatz. Betroffen waren zwei Millionen Wähler in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Die Geräte der niederländischen Firma Nedap haben ein großes Bedienfeld, das wie ein Stimmzettel aussieht. Gewählt wird aber nicht mehr per Ankreuzen, sondern per Knopfdruck. Die abgegebenen Stimmen werden in einem elektronischen Speicher des Computers, der "digitalen Wahlurne", registriert. Nach Ende der Wahl rechnet der Computer die Stimmen zusammen.
Städte und Gemeinden, die Wahlcomputer nutzen, brauchen also weniger Wahlhelfer. Das Wahlergebnis liegt sofort vor und die Bürger können nicht mehr aus Versehen ungültig wählen, weil der Computer das gar nicht zulässt. Es lag an den hohen Kosten von einigen tausend Euro pro Gerät, dass nur eine Minderheit der Kommunen auf Wahlcomputer setzte. Zudem kam politischer Widerstand auf, nachdem niederländische Hacker demonstriert hatten, wie man binnen einer Minute die Software eines Wahlcomputers austauschen kann.
Gestern verbot das Bundesverfassungsgericht den Einsatz der bisher üblichen Nedap-Geräte und begründete dies mit dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl. Die Auszählung der Stimmen müsse jeder Bürger öffentlich nachprüfen können. Nach traditioneller Interpretation heißt das: Die Stimmzettel müssen öffentlich ausgezählt und in Zweifelsfällen muss eine erneute Auszählung angeordnet werden können. Beides ist bei den Nedap-Wahlcomputern nicht möglich. Die Wählerinnen und Wähler müssten sich selbst und ohne spezielle Computerkenntnisse vom ordnungsgemäßen Wahlablauf überzeugen können, betonte der Senatsvorsitzende Andreas Voßkuhle.
Gleichwohl haben die Richter Wahlcomputer aber nicht generell verboten. Zulässig bleiben Geräte, die eine verlässliche Kontrolle ermöglichen. Dabei müssen die technischen Voraussetzungen gegeben sein, dass die Stimme auch wirklich unverfälscht erfasst wurde. Möglich bleiben etwa Computer, die eine papierne Quittung ausspucken. Diese Belege werden dann in einer Urne gesammelt und können bei Bedarf nachgezählt werden. Auch andere Wahlsysteme, bei denen die Stimme nicht nur in einem elektronischen Speicher erfasst wird, bleiben zulässig. So wird mit dem "digitalen Wahlstift" ein Stimmzettel angekreuzt und die Stimme zugleich auch elektronisch erfasst.
Bei der Bundestagswahl im September werden aber vermutlich noch keine Wahlcomputer dieser fortgeschrittenen Art zum Einsatz kommen. Dies erklärten gestern Politiker nach der Urteilsverkündung. Günter Krings, der Justiziar der CDU/CSU-Fraktion, forderte den Bundestag jedoch auf, die "verbleibenden Möglichkeiten zur Nutzung von Wahlcomputern auszuloten". Zugleich zogen die Innenminister mehrerer Bundesländer als Konsequenz aus dem Urteil die elektronischen Wahlgeräte aus dem Verkehr. Nach Angaben des Bundeswahlleiters werden sie bei keiner der noch ausstehenden 14 Wahlen in diesem Jahr mehr eingesetzt.
Die angefochtene Bundestagswahl 2005 wurde vom Bundesverfassungsgericht trotz des teilweisen Einsatzes von Wahlcomputern nicht für ungültig erklärt. Es habe keine konkrete Hinweise auf Manipulationen gegeben.
Der Chaos Computer Club begrüßte gestern das Urteil. Die bisher verwendeten Wahlcomputer seien nur noch "Elektroschrott".
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