Chaos Computer Club kritisiert Wahlcomputer: "Albtraumszenario" bei Hessen-Wahl
Der Chaos Computer Club hat die Abläufe bei der Hessenwahl moniert. Es sei zu "untragbaren Risiken" mit den Wahlcomputern gekommen.
FRANKFURT/MAIN, ap/taz Bei der hessischen Landtagswahl ist es nach Beobachtungen des Chaos Computer Clubs zu Problemen und Unregelmäßigkeiten mit Wahlcomputern gekommen. In mindestens einer Gemeinde seien die Computer über Nacht in den Privatwohnungen von Parteimitgliedern gelagert gewesen, erklärte die Organisation in der Nacht zum Montag.
Dies sei "gängige Praxis", hätten Mitarbeiter des Ordnungsamtes den Wahlbeobachtern bestätigt. Alle neun Wahlcomputer der Gemeinde Niedernhausen seien privat gelagert worden. Die Lagerung der Wahlcomputer über Nacht zu Hause bei Lokalpolitikern bezeichnete der Sprecher des Chaos Computer Clubs, Dirk Engling, als "Albtraum-Szenario". "So etwas haben selbst wir uns nicht vorstellen können", so Engling.
In zwei Wahllokalen waren CCC-Mitglieder als Wahlbeobachter angeblich für längere Zeit alleine mit den bereits angelieferten Wahlcomputern, bevor der Wahlvorstand eintraf. Manipulationen hätten problemlos vorgenommen werden können, erklärten die Computer-Experten.
Außerdem sei ein Wahlcomputer eine Stunde lang nicht einsatzfähig gewesen. In dieser Zeit hätten viele Wähler ihr Wahlrecht nicht ausüben können. In Obertshausen sei interessierten Bürgern zudem das Betreten des Wahllokals durch einen Mitarbeiter des Ordnungsamts verweigert worden, sogar die Festnahme wurde den Beobachtern angedroht. "Von Offenheit und der rechtlich verbürgten Öffentlichkeit der Wahl hat der Wahlleiter von Obertshausen offenbar noch nichts gehört", kommentierte Engling. Schon im Vorfeld hätten einige Wahlleiter versucht, aktiv eine Wahlbeobachtung zu behindern.
Die Beobachtungen von mehr als 50 interessierten Bürgern hätten weiterhin ergeben, dass ein großer Teil der älteren Wähler Probleme hatte, die Stimme an den Computern abzugeben. Viele seien so überfordert gewesen, dass Wahlhelfer ihnen bei der Stimmabgabe Hilfestellung hätten geben müssen.
Laut Engling leisteten Wahlcomputer unbemerkten Manipulationen des Ergebnisses Vorschub und bereiteten vor allem Senioren erhebliche Probleme. Grundsätzliches Problem der Wahlcomputer sei die mangelnde Transparenz und Überprüfbarkeit, erklärte der CCC. Weder Wähler noch Wahlhelfer könnten die Korrektheit der Stimmabgabe und Zählung nachvollziehen. Eine nachträgliche Neuauszählung sei de facto nicht möglich. "Die Wahlbeobachtung in Hessen zeigt, dass es endgültig Zeit wird, die Wahlcomputer auch in Deutschland aus dem Verkehr zu ziehen", sagte Engling. "Gerade angesichts des knappen Wahlausgangs in Hessen werden die untragbaren Risiken von Computerwahlen überdeutlich."
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