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Nach Terroranschlag in SiedlungIsrael reagiert mit verstärktem Neubau

In vier Siedlungen im Westjordanland darf massiv gebaut werden. Die israelische Regierung reagierte damit auf einen Terroranschlag. Ein Rückschritt für die Nahost-Verhandlungen.

Im Westjordanland soll noch mehr gebaut werden. Bild: reuters

JERUSALEM taz | Nicht 500, wie beschlossen, sondern 1.000 Siedlungsneubauten sollte Israel jedem einzelnen Mord folgen lassen. So forderte Innenminister Eli Ischai (Schass) am Sonntag in Reaktion auf den Anschlag am Wochenende, der das ganze Land schockierte.

Mutter, Vater und drei ihrer Kinder, von denen das jüngste gerade drei Monate alt war, wurden in ihren Betten buchstäblich abgeschlachtet. Israels Sicherheitskräfte nahmen die Fahndung nach den noch flüchtigen Tätern auf. Die palästinensische Führung verurteilte den Anschlag.

Die Angreifer hatten ein Loch in den Zaun der Siedlung Itamar, unweit von Nablus, geschnitten und sich unbemerkt Zugang zu dem Haus ihrer Opfer verschafft. Die zwölfjährige Tochter, die erst gegen Mitternacht nach Hause kam, entdeckte als erste ihre Eltern und die drei ermordeten Geschwister. Zwei Brüder blieben von den Mördern offenbar unentdeckt. Der kleinere der beiden saß im Zimmer seiner Eltern und versuchte sie aufzuwecken, als seine Schwester ihn fand.

Anders als bei dem letzten Attentat im vergangenen September, als Israel die Verfolgung der Mörder den palästinensischen Sicherheitskräften überließ, ist diesmal ein israelisches Sonderaufgebot im Einsatz. "Die eiserne Faust der Armee und des Shin Beth wird sie finden", kündigte Verteidigungsminister Ehud Barak an.

Das Sicherheitsaufgebot gilt aber auch möglichen Vergeltungsaktionen von Seiten der Siedler. Schon in der Nacht zum Sonntag kam es zu Steinewürfen und Randalierungen in benachbarten palästinensischen Dörfern. Saeb Erikat, langjähriger Chefunterhändler bei den Friedensverhandlungen, verurteilte die Übergriffe der Siedler wie auch die Entscheidung der israelischen Regierung, hunderte neue Häuser für die Siedler zu bauen.

Nach bisher nicht bestätigten Berichten der Nachrichtenagentur dpa bekannten sich die Fatach-nahen Al-Aksa-Brigaden zu dem fünffachen Mordanschlag. Die Al-Aksa-Brigaden legten im Sommer 2007 offiziell die Waffen nieder, nachdem Israel im Gegenzug zusagte, die Verfolgung gesuchter Brigade-Aktivisten einzustellen. Der Waffenstillstand war Konsequenz des blutigen Machtkampfes zwischen der Hamas und der Fatach im Gazastreifen, den die Hamas für sich entschied.

Um eine Wiederholung im Westjordanland zu verhindern, verbündeten sich die Fatach-Sicherheitskräfte mit der israelischen Armee gegen die Hamas. Sollten sich die Berichte bestätigen und die Al-Aksa-Brigaden tatsächlich für das Attentat verantwortlich sein, würde die israelisch-palästinensische Sicherheitskooperation mindestens einer Belastungsprobe ausgesetzt werden.

Mit dem Stocken im Friedensprozess und Israels unverändertem Siedlungsbau wächst der Unmut innerhalb der Fatach gegen die moderate Führung. Erst vor wenigen Tagen hatten Palästinenser auf der Internet-Seite "Facebook" zu einem neuen Volksaufstand aufgerufen. Mehr als 130.000 "Facebook"-Nutzer kommentierten die Seite bis Sonntagmittag mit "gefällt mir".

Allerdings geht es bei der geplanten 3. Intifada um erklärtermaßen friedliche Demonstrationen nach ägyptischem Vorbild. Die Araber in den Nachbarstaaten werden demnach aufgerufen, am 15. Mai, dem Tag, an dem die Palästinenser der "Nakba" gedenken, der Vertreibung von 1948, in Richtung Palästina zu marschieren.

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15 Kommentare

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  • E
    Entsetzt

    ich habe doch gar nicht nazis geschrieben und auch nicht gemeint. In meinem Beitrag geht es um Siedler.

  • DP
    Daniel Preissler

    @ @Entsetzt

    naja, man muss nicht immer alle Verbrecher Nazis nennen. Ne Nummer kleiner oder 2 tut's manchmal auch d;-)

  • E
    @Entsetzt:

    Krass, das wären dann ja US-Zionisten-Nazi-Kolonialisten-Siedler...

  • L
    Lucia

    @ Saint Pat, Alexander Riemer:

     

    Dies mir auch aufgefallen: man könnte, da dies 2 Themen sind, 2 Artikel schreiben, oder einen Artikel über das Attentat auf die Familie Fogel, in dem beiläufig der Siedlungsbau erwähnt wird, oder eben einen Artikel

    über die Siedlungen, in dem beiläufig der Mord erwähnt wird, je nachdem, in welche Richtung Meinung gemacht werden soll:

    Man kann also sagen, der Terroranschlag, oder der Siedlungsbau sei ein Rückschritt für die Nahost-Verhandlungen, je nach Perspektive.

     

    Es ist nach wie vor ungeklärt, wie überhaupt ein Frieden erreicht werden soll, wenn Gruppierungen wie Hamas oder PFLP davon ausgehen, die Befreiung Palästinas betreffe das gesamte israelische Kernland...

     

    @ Petra:

    Der Nahost-Konflikt köchelt schon über 60 Jahre... da kommen Ratgeber wie Sie mit vollem Durchblick wie gerufen, um den Israelis zu sagen, wie sie den Mord hätten verhindern können:

    ...ohne Worte...

     

    @ Entsetzt:

    Versetzen Sie sich bitte in die Rolle eines Profilers, der anhand der Indizien und möglichen Motive den Kreis der üblichen Verdächtigen nennt.

     

    @ Hans:

    >>Offiziell nach inter. Recht sind sie illegal, aber wen interessiert das in Israel?

  • E
    Entsetzt

    @Gerda: Das schlimme ist: In den Siedlungen ist der Wohnraum für Isrealis (und jeder jüdische Mensch, bekommt sofort bei seiner Einreise einen israelischen Pass) SPOTT BILLIG! Das ist ein Grund, warum da so viele hinziehen. Einen anderen Grund musste ich mir mal in einer Doku auf arte anhören. Da sagte ein Israeli mit amerikanischem Migrationshintergrund, was ihn in die palästinensischen Gebiete treibe sei der AMERIKANISCHE PIONIERSGEIST. Nur mit einem Unterschied: In Amerika habe man den Indianern das Land gestohlen, in Israel nehme man nur sein Recht auf's eigene Land in Anspruch.

     

    Und ich sage noch einmal: Ich glaube nicht, dass Palästinenser diesen Mord begangen haben und ich finde es nicht korrekt, dass wir alle davon ausgehen, obwohl NIEMAND ÜBERFÜHRT WURDE!!!!

  • AR
    Alexander Riemer

    @ Saint Pat:

    Du hast recht. Ich finde vor allem nicht, dass man den Terroranschlag und den Siedlungsbau im gleichen Artikel bringen sollte.

    Der Terroranschlag hätte einen eigene verurteilenden Artikel verdient.

    Warum machst du das, Susanne?

     

    Viele Grüße,

    Alexander

  • B
    Beobachter

    Als ob Israel jemals einen Grund gebraucht hätte, palästinensisches Land weiter zu stehlen.

     

    Das ist einfach nur lächerlich, Frau Knaul!

     

    Die hätten sowieso gebaut.

  • SP
    Saint Pat

    Korrigieren Sie mich, wenn ich falsch liege, aber warum berichtet die taz erst über den Mord an der Familie nachdem Israel den Bau weiterer Siedlungen verkündet hat?

  • H
    Hans

    @Gerda

    Die Siedlungen auf der Westbank sind Festungen für Israelis, Juden - aber nicht für Araber. Sie werden bewacht wie Gefängnisse und sind gleichzeitig strategische Festungen.

    Offiziell nach inter. Recht sind sie illegal, aber wen interessiert das in Israel? Die nutzen die vermeidliche Gunst der Stunde.

  • F
    fazleser

    "...der natuerlich zu verurteilende Mord an der Siedlerfamilie..."

     

    da fehlt ja wohl nur noch das Ironie-Smiley ;-)

     

    Nachts in Häuser einbrechen und schlafende Kinder ermorden - auch nur im entferntesten mit dem Bauen von Häusern zu vergleichen / zu erklären ist schon kein Zynismus mehr sondern ganz einfach pures Verbrechertum.

     

    Ja, ja, die Juden sind selbst schuld...

     

    Und so nebenbei eine, natürlich nur rethorische, Frage: Wieviele Juden leben eigentlich in Gaza, der Westbank (außerhalb der Siedlungen), in Ägypten, Libyen, Irak, Iran, etc.? Ach so, die mussten ja fast alle nach Israel fliehen..., ach so , deshalb leben so viele Juden in Israel..., aber wir können da auch mitreden, viele mussten ja auch aus Europa fliehen...

     

    Ja, na klar, selber schuld...

    Wir kennen uns da ja aus!

  • O
    oliver

    Dem Artikel muss noch hinzugefuegt werden, dass die bestialischen Morde in Gaza freudig aufgenommen wurden. In Rafah wurden Suessigkeiten zur Feier des Terroranschlages verteilt.

     

    http://www.ynetnews.com/articles/0,7340,L-4041106,00.html

     

    Dem Artikel sollte ferner hinzugefuegt werden, dass in einer Stadt nahe Ramallah ein Platz nach einer Terroristin benannt wurde, auf deren Konto 35 Tote gehen. Parallel zur Beerdigung der Familie Fogel!

     

    http://www.haaretz.com/news/diplomacy-defense/palestinians-honor-fatah-terrorist-despite-israel-s-protests-1.348939

  • G
    Gerda

    Für wen werden denn alle diese Siedlungen gebaut? So viele Orthodoxe gibt es in Israel doch gar nicht. Woher also kommen so viele Menschen für die Mietwohnungen oder Eigentumswohnungen her, die sicherlich auch sehr teuer sind? Welche Nationalität werden diese Mieter haben? Und wer von den Israelis will denn mit beispielsweise Kindern in so einer gefährlichen Gegend leben?

     

    Ich hoffe sehr, daß diese Wohnungen einmal Familien, Ehepaaren, Wohngemeinschaften und Singles verschiedener Herkunft, also auch palästinensicher, ägyptischer und anderer arabischer Herkunft, zur Verfügung stehen, bezahlbar sind und nicht wieder abgerissen werden, weil sie eben auch "interkulturell" bewohnt und bezahlt werden können.

     

    Aber diesem schrecklichen Netanjahuh oder der schrecklichen Hamas liegen solche Überlegungen wohl sehr fern. Die israelische Friedensbewegung, eine mehr soziale Oppositionspartei und eine mehr demokratisch ausgerichtete Fatah wären eventuell viel zugänglicher.

  • E
    Entsetzt

    In Anbetracht der Tatsache, dass die Täter nicht überführt sind, finde ich es verantwortungslos von einem palästinensischen Terroranschlag zu reden. Klar, kann man ja machen - die ham ja eh keine Rechte, die Palästinenser. Sollte man aber nicht.

  • P
    Petra

    Die Freiheiten Israels

     

    Hätte Israel die Möglichkeit genutzt und mit einem Siedlungsstopp, der ja bereits praktiziert wurde, dem Frieden wenigstens eine kleine Chance zu geben, waeren Aktionen, wie der natuerlich zu verurteilende Mord an der Siedlerfamilie zu verhindern gewesen.

    Jetzt gibt es so auch endlich wieder eine Rechtfertigung für einen forcierten Siedlungsbau.

    Weiterhin bleibt wichtig, die Ursache als Ursache zu benennen.

    Völlig unverständlich bleibt fuer mich das Agieren der USA in diesem Konflikt.

  • H
    Hans

    Die arabischen Diktaturen erzittern vor ihren unterdrückten Untertanen, da können sie in Israel durchatmen und wieder ein Stück Frieden zuschütten. Wie lange das hält, ob das überhaupt eine gute Idee, das interessiert sowieso niemanden, denn Israel fragt nicht, sondern handelt. Irgendwann ist es aber so: Die Regierenden in Tel Aviv und Jerusalem haben dann das gleichen Problem wie die Nachbarn. Die Menschen/Araber gehen gegen sie auf die Straße und dann wird es ziemlich eng. Fürs erste gibt es subventionierten Wohnraum im Krisengebiet.