Nach Parlamentswahlen in Island: „Teflon-Haut“ will Regierung bilden
Ihre Mitte-Rechts-Regierung haben die Isländer aus dem Amt gescheucht. Die Konservativen bleiben stärkste Partei, suchen jetzt aber neue Partner.
Sie können aber nicht wie bisher gemeinsam mit den Rechtsliberalen regieren. Durch die Enthüllungen der „Panama Papers“ im Frühjahr war die ohnehin strauchelnde Fortschrittspartei noch mehr in Bedrängnis geraten. Ministerpräsident Sigmundur David Gunnlaugsson musste gehen. Bei den Wahlen waren die Rechtsliberalen abgestürzt. Im neuen Parlament haben sie nur noch acht Sitze – einer Mitte-Rechts-Regierung fehlt deshalb die Mehrheit.
Er wolle jetzt mit allen Parteien reden, sagte Benediktsson am Mittwoch. Doch der 46 Jahre alte bisherige Finanzminister steht vor einer schwierigen Aufgabe. Neben Konservativen, Rechtsliberalen, Piraten und Links-Grünen hatten es die Sozialdemokraten, die neue Partei „Vidreisn“ sowie die 2013 zum ersten Mal angetretene Partei „Bright Future“ ins Parlament geschafft.
Gewohnt sind die Isländer Mehrheits-Koalitionen aus zwei Parteien, doch das ist diesmal nicht möglich. Mit den beiden zweitstärksten Parteien, den Links-Grünen (10 Sitze) und Piraten (10 Sitze), kommen die Konservativen jeweils nur auf 31 Abgeordnete in dem 63 Sitze starken Parlament. Die Piraten, die kräftig zugelegt hatten, haben eine Koalition mit den Konservativen zudem schon ausgeschlossen.
Nichts ist unmöglich
Beobachter halten eine „Regenbogen-Koalition“ aus Konservativen, Links-Grünen und der neuen Partei „Vidreisn“ (7 Sitze) für möglich. „Vidreisn“ besteht vor allem aus Ex-Konservativen, die eine Wiederaufnahme der Gespräche über einen EU-Beitritt Islands befürworten und darüber mit ihrer Partei in Konflikt geraten waren.
„Nichts ist unmöglich, außer, dass die Fortschrittspartei Teil einer neuen Regierung wird“, sagte der Journalist Thordur Snaer Juliusson der Deutschen Presse-Agentur. Ob sich Benediktsson mit anderen Parteien auf eine Zusammenarbeit einigen kann, ist nicht sicher. Eine Frist dafür gibt es nicht. Am Wochenende oder Anfang kommender Woche will sich Präsident Jóhannesson aber erneut mit Benediktsson treffen, um sich über den Stand der Koalitionsgespräche zu informieren.
Benediktsson, bisheriger Finanzminister, ist ein einflussreicher Politiker aus einer gut vernetzten Familie, die das politische und wirtschaftliche Geschehen in Island seit Jahrzehnten mitbestimmt. Für seine politischen Gegner ist er ein Vertreter der Machtelite, die dem kleinen Land durch die weit verbreitete Vetternwirtschaft schade.
Parteifreunde beschreiben Benediktsson als überdurchschnittlich fähigen Politiker, der sich mit den isländischen Finanzen auskennt wie kein anderer. Seine Gegner macht es wütend, dass er die Enthüllungen durch die „Panama Papers“, in denen auch Benediktssons Name auftauchte, dank seiner „Teflon“-Haut schadlos überstanden habe.
Doch selbst sie schreiben dem 46-jährigen Golfspieler und Familienvater eine gewisse Star-Qualität zu: „Wenn er einen Raum betritt, beherrscht er ihn. Die Leute sehen zu ihm auf“, sagt die Piratin Sara Oskarsson über ihn. „Er ist sehr charmant.“
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