Nach Messerangriffen in Berlin: Noch mehr Verbotszonen?
Als Reaktion auf Messerangriffe will Berlins Innensenatorin Messerverbote auf den Nahverkehr ausweiten. Das stößt auf Kritik.
Laut Polizei soll am Samstag ein 43-jähriger syrischer Staatsbürger mit einem Küchenmesser einen 29-jährigen Deutschen erstochen haben. Die beiden sollen in der U-Bahn-Linie 12 in einen Streit geraten sein. Drei Stiche soll der Angreifer dem 29-Jährigen versetzt haben, von denen einer seine Herzkammer traf.
Am Sophie-Charlotte-Platz verließ das Opfer die U-Bahn und brach auf dem Bahnsteig zusammen. Trotz Reanimationsversuchen starb er noch vor Ort. Der mutmaßliche Angreifer flüchtete in die Schloßstraße, wo er laut Polizei mit dem Messer auf Beamte zugegangen sein soll. Daraufhin habe ein Beamter „mehrere Schüsse“ abgegeben. Vier Schüsse trafen laut Staatsanwaltschaft den Tatverdächtigen.
Der Mann starb trotz Notoperation am Sonntag. Laut Zeugenaussagen gegenüber dem Tagesspiegel soll der Angreifer zwar auf den Beamten zugegangen sein, jedoch eher mit dem Messer herumgefuchtelt als gezielt Stichbewegungen ausgeführt haben. Die Staatsanwaltschaft teilte mit, es werde „wie in Fällen tödlich verlaufender Schussabgaben üblich“ wegen des Verdachts des Totschlags ermittelt.
Verkehrssenatorin begrüßt Ausweitung von Verbotszonen
Beide Männer sind bereits polizeilich bekannt, wegen Körperverletzungsdelikten, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und tätlicher Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Wie es zu der Auseinandersetzung kam, ist bisher unbekannt. Hinweise auf ein islamistisch-terroristisches Motiv gebe es nicht.
In der Nacht zu Sonntag kam es in Friedrichsfelde zu einem weiteren Messerangriff. Dort soll ein Unbekannter einen 44-jährigen Mann mit Messerstichen schwer verletzt haben. Zuvor sollen sie laut Polizei in der Straßenbahn aneinandergeraten sein. Das Opfer erlitt Schnittverletzungen an Hals und Oberkörper und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Der Verdächtige konnte flüchten. Nun ermittelt die Polizei gegen unbekannt.
Nach der Ankündigung Sprangers, eine Ausweitung der Messerverbotszonen zu prüfen, soll schon in dieser Woche ein Treffen mit Vertreter:innen der Berliner Verkehrs- und Innenverwaltung sowie Verkehrsbetrieben, der Polizei Berlin und der Bundespolizei stattfinden. Dort soll über die Einführung von Messerverbotszonen im öffentlichen Nahverkehr gesprochen werden.
Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) begrüßt den Vorstoß von Innensenatorin Spranger. Auch BVG-Chef Henrik Falk zeigte sich offen: „Ich gehe stark davon aus, dass dieser Schritt kommen wird“, so Falk.
Linke kritisiert Ausweitung der Verbotszonen
Seit Februar gibt es bereits drei Messerverbotszonen, am Görlitzer Park, am Kottbusser Tor und am Leopoldplatz. Dort darf die Polizei verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen und Waffen einziehen. Mit bis zu 10.000 Euro kann ein Verstoß geahndet werden. Kritik kam schon vor der Einführung etwa von Grünen-Innenexperte Vasili Franco, der die Zonen als „ineffektiv und unglaublich personalintensiv“ bezeichnete. „Außerdem führen sie nicht dazu, dass eine Person, die gezielt ein Messer einsetzen will, davon abgehalten wird“, so Franco.
Kritik kommt auch vom innenpolitischen Sprecher der Linksfraktion, Niklas Schrader, der die Ausweitung von Messerverbotszonen auf den öffentlichen Nahverkehr ablehnt. Diese seien ohnehin nicht kontrollierbar und führten letztlich „zu steigenden anlasslosen Kontrollen“ und einer „höheren Wahrscheinlichkeit für Diskriminierung“, beispielsweise in Form von Racial Profiling.
„Natürlich sind Messerangriffe ein Problem“, so Schrader. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik gab es in Berlin im vergangen Jahr 3.412 Messerangriffe. „Doch anstatt über eine Ausweitung von Verbotszonen zu sprechen, müssen die Ursachen mit Prävention bekämpft werden“, sagt Schrader, „und nicht, wie es der Senat tut, solche Projekte kürzen.“
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