Nach Horrorcrash auf der A19: Staatsanwaltschaft ermittelt

Die Massenkarambolage auf der Autobahn 19 nahe Rostock mit acht Toten soll einen Millionenschaden verursacht haben. Mecklenburgs Verkehrsminister fordert eine Debatte um Tempolimits.

Aufräumarbeiten auf der A19. Bild: reuters

ROSTOCK dpa | Mehr als 20 Verletzte liegen noch im Krankenhaus, Teile der Autobahn sind weggeschmolzen: Nach dem Horrorcrash nahe Rostock ermittelt nun die Staatsanwaltschaft. Acht Menschen starben bei der Massenkarambolage, mehr als 130 wurden verletzt - ein Mann schwebt noch in Lebensgefahr. Ein Sandsturm hatte den Fahrern am Freitag die Sicht genommen. "Es besteht der Verdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung", sagte Staatsanwältin Maureen Wiechmann am Samstag. Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister forderte eine Debatte über Tempolimits.

Experten der Prüforganisation Dekra sollen klären, "ob Autofahrer angesichts der Sandwand zu schnell oder zu unvorsichtig gefahren sind." Es war der verheerendste Massencrash der vergangenen 20 Jahre in Deutschland. Bundespräsident Christian Wulff sprach den Hinterbliebenen sein Beileid aus. Die genauen Identitäten der Toten waren bis Samstagmittag noch nicht geklärt.

80 Autos rasten ineinander, knapp 30 gingen in Flammen auf, auch ein Gefahrguttransporter brannte auf der Autobahn 19 (Rostock-Berlin). Das Inferno richtete einen Millionenschaden an, schätzten Polizisten an der Unfallstelle.

Nach Angaben der Staatsanwältin waren die Gutachter am Freitag bereits am Unfallort und beschlagnahmten etwa fünf Autos, um die Abfolge der Massenkarambolage zu klären. An der Spitze der Unfallkolonne in Richtung Rostock, wo es die stärksten Brände gab, sei auch einer der vier unfallbeteiligten Lastwagen gefahren. "Die Untersuchungen werden aber noch mehrere Tage dauern", sagte Wiechmann. Es müssten Zeugen befragt werden, darunter auch Verletzte aus den Krankenhäusern.

An der Unfallstelle gab es kein Tempolimit. Landesverkehrsminister Schlotmann verlangte eine Debatte über Geschwindigkeitsbegrenzungen. "Man kann nicht jeden Unfall durch Verkehrsregeln verhindern. Wir müssen aber darüber reden, ob und wie Tempolimits zu mehr Sicherheit beitragen können", erklärte der SPD-Politiker.

Der Grund für den Unfall soll extreme schlecht Sicht gewesen sein. Der Sturm hatte Sand von umliegenden Feldern aufgewirbelt und über die Autobahn geweht. Augenzeugen sagten, man habe nur noch etwa zehn Meter weit sehen können.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gab der Agrarindustrie eine Mitschuld am Entstehen des Sandsturms. "Durch die jahrelange Vernachlässigung der Bodenstruktur haben die Böden immer weniger Humusgehalt, sie degradieren", sagte der BUND-Agrarexperte Burkhard Roloff am Samstag. Die obere Krume trockne durch die breite Verwendung von Kunstdüngern aus. Eine wesentliche Rolle spielten auch die riesigen Felder.

"Das ist totaler Unsinn", sagte der Präsident der Bauernverbands in Mecklenburg-Vorpommern, Rainer Tietböhl, der dpa. In den vergangenen sechs Wochen habe eine enorme Trockenheit geherrscht, "da kann kein Landwirt was dafür". Die Autobahnmeisterei und Meteorologen sprachen von einer "unglücklichen Verkettung von Zufällen". In der Region hatte es seit längerer Zeit nicht mehr ergiebig geregnet. Als der Unfall geschah, habe es Windgeschwindigkeiten bis knapp 90 Stundenkilometer gegeben.

Die Toten und Verletzten kommen aus mindestens acht Bundesländern, wie das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern am Samstag in Schwerin mitteilte. Betroffen seien Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Eine Polizeisprecherin hatte von dem schlimmsten Verkehrsunfall gesprochen, den Mecklenburg-Vorpommern je erlebt habe.

Etwa 20 Stunden nach dem Massencrash war auch der letzte brennende Lastwagen gelöscht. Dichter Löschschaum bedeckte den Boden. Das Wrack stand schräg im Graben. Die Fahrbahn war auf Dutzenden Metern mit riesigen Löchern übersät und völlig schwarz von Ruß und verbrannten Wrackteilen.

Insgesamt waren 300 Retter im Einsatz. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dankte ihnen für ihren "unheimlich schweren Einsatz".

Die Autobahnmeisterei Kavelstorf arbeitete mit Hochdruck daran, die Unfallschäden zu beseitigen. Richtung Berlin sollten beide Spuren noch am Samstag wieder freigegeben werden. Die deutlich stärker beschädigte Fahrbahn nach Rostock sollte am Sonntag wieder zu befahren sein. Der Unfall passierte am Freitag gegen 12.50 Uhr zwischen den Anschlussstellen Kavelstorf und Laage, südlich von Rostock. Die Autos rasten in beiden Fahrtrichtungen ineinander.

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