Nach Homophobie-Vorwürfen: Mozilla-Chef tritt zurück
Brendan Eich, neuer Chef des Firefox-Entwicklers, hatte Gegner der Homo-Ehe unterstützt. Boykottaufrufe und Rücktrittsforderungen folgten. Jetzt zog er Konsequenzen.
SAN FRANCISCO dpa | Der wegen seiner Einstellung zur Homo-Ehe umstrittene Chef des Firefox-Entwicklers Mozilla ist nach heftiger Kritik nun doch zurückgetreten. Brendan Eich hatte 2008 einen Gesetzentwurf gegen gleichgeschlechtliche Ehen in Kalifornien mit 1000 Dollar unterstützt. Er habe die Rücktritts-Entscheidung im Interesse des Unternehmens und der Nutzer-Gemeinde getroffen, schrieb Verwaltungsratschefin Mitchell Baker in einem Blogeintrag am Donnerstag. Mozilla habe in der Kontroverse nicht schnell genug reagiert, räumte sie ein.
Eich hatte noch vor wenigen Tagen betont, trotz der Kontroverse im Amt bleiben zu wollen. Er war erst vor rund zehn Tagen zum Chef der Mozilla Corporation ernannt worden, die den populären Firefox-Browser und das Smartphone-System Firefox OS entwickelt. Der 52 Jahre alte Programmierer ist Erfinder der weit verbreiteten Skriptsprache JavaScript und einer der Mitbegründer des Mozilla-Projektes.
Nach Eichs Ernennung hatte der Software-Entwickler Rarebit aus Protest angekündigt, Mozilla zu boykottieren. Die Dating-Website OKCupid rief ihre Kunden auf, andere Web-Browser zu nutzen. Mehrere Mozilla-Mitarbeiter forderten ihren Chef öffentlich zum Rücktritt auf.
Eich hatte in einem Blog-Eintrag nach seiner Berufung zwar die Gleichbehandlung aller versprochen, das entschärfte die Kritik aber nicht. Zudem wurde zuletzt bekannt, dass er in den 90er Jahren an rechtskonservative Politiker wie Pat Buchanan und Ron Paul gespendet hatte.
Verwaltungsratschefin Baker gestand Fehler ein. "Wir haben nicht so gehandelt, wie man es von Mozilla erwarten würde", schrieb sie. Die Firma habe eine Kultur der Offenheit und Vielfalt. „Aber dieses Mal haben wir es verpasst, unserer Community zuzuhören, mit ihr zu kommunizieren und ihr zu folgen.“
Verwaltungsrat gespalten
Eich war zuletzt Technikchef des Firefox-Entwicklers. In einem Interview Anfang der Woche hatte er noch erklärt, dass seine politischen Ansichten keine Rolle für den Job spielen sollten, da bei Mozilla Menschen mit verschiedensten Überzeugungen zusammenarbeiten. Die Diskussion gefährde die Kultur von Mozilla, argumentierte er.
Die Ernennung Eichs hatte schon den Verwaltungsrat von Mozilla gespalten. Drei Mitglieder seien kurz vor Bekanntgabe der Personalie zurückgetreten, berichtete das Wall Street Journal am Wochenende. Darunter seien die beiden früheren Mozilla-Chefs John Lilly und Gary Kovacs gewesen, sie für einen Manager von außerhalb mit Erfahrung in der Mobilfunk-Branche plädiert hätten. Der Verwaltungsrat besteht aktuell aus Mozilla-Mitgründerin Baker, Spiegel Online-Chefin Katharina Borchert und dem Mitgründer des Karriere-Netzwerks LinkedIn, Reid Hoffman.
Die kommerzielle und steuerpflichtige Mozilla Corporation gehört der gemeinnützigen Mozilla Stiftung. Baker ist mit dem Vorsitz in den Verwaltungsräten von beiden die starke Figur im Hintergrund.
Der Firefox-Browser war lange die populärste Alternative zu Microsofts Internet Explorer, wurde inzwischen aber von Googles Chrome überholt. Der Marktanteil wird bei etwa 20 Prozent gesehen, die Zahlen verschiedener Analyse-Dienste gehen aber weit auseinander. Mozilla steckte in jüngster Zeit viel Kraft in ein netzbasiertes Betriebssystem für günstige Smartphones. Erste Geräte mit Firefox OS werden seit dem vergangenen Jahr vor allem in Schwellenländern verkauft, das System dürfte aber noch Jahre brauchen, um sich im Geschäft zu etablieren. Der Markt wird derzeit von der Google-Plattform Android dominiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch