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Nach Grünen-ParteitagStimmen für und gegen "Merkel-Murks"

Kleiner Beschluss, große Differenzen: Der CDU-Generalsekretär begrüßt die Zustimmung der Grünen zum Atomausstieg. Ein anderer Politiker wirft den Grünen Verrat an eigenen Zielen vor.

Dabei ist die Aussage doch klar: Claudia Stamm, Grüne. Bild: dpa

BERLIN afp | CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe hat die Zustimmung der Grünen zum Atomausstiegsgesetz der Bundesregierung auf ihrem Sonderparteitag in Berlin begrüßt. "Natürlich freue ich mich", sagte Gröhe der B.Z. am Sonntag. Doch der Stresstest für die Grünen komme erst noch.

"Beim Bau neuer Netze oder neuer effizienter Gaskraftwerke wird sich zeigen, ob die Grünen bereit sind, auch unpopuläre, aber notwendige Maßnahmen beim Umstieg in eine neue Energieversorgung mitzutragen - oder ob sie vor Ort weiter den Protest schüren und damit ihr parteipolitisches Süppchen kochen", sagte Gröhe.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, warf dagegen den Grünen Verrat an ihren eigenen Zielen vor. Technisch machbar wäre die Abschaltung schon 2014 oder, wie die Grünen meinen, 2017, sagte Gysi. Indem die Grünen dem von der Regierung geplanten Ausstieg bis 2022 zustimmen, wollten sie sich als koalitionsfähig für die Union erweisen, nähmen damit aber eine längere Laufzeit in Kauf. Außerdem hätten die Grünen auf die Aufnahme des Verbots der Nutzung des Atomstroms ins Grundgesetz bestehen müssen, sagte Gysi. Ein "sinnloses darum Bitten" bringe nichts.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, begrüßte die Entscheidung der Grünen zum Atomausstieg. Es habe sich "letztlich doch noch die Vernunft durchgesetzt. Das war eine Feuertaufe für die Regierungsfähigkeit der Grünen", sagte der SPD-Politiker der Leipziger Volkszeitung. Zugleich kündigte er für den Fall eines Regierungswechsels 2013 eine rot-grüne Offensive zur Förderung der erneuerbaren Energien an. "Die Vorlagen der Bundesregierung zur Förderung der Erneuerbaren Energien sind nicht befriedigend", sagte Oppermann.

Trotz des klaren Ja auf dem Grünen-Parteitag am Samstag will deren Abgeordneter Hermann E. Ott am kommenden Donnerstag im Bundestag mit Nein stimmen. "Wenn so ein Ding hochgeht, sind wir mit schuld", sagte Ott zur Begründung der Leipziger Volkszeitung. Zudem würden die Grünen angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisse im Bundestag gar nicht gebraucht. Deshalb gelte für ihn: "Meine Stimme gibt es nicht für den Merkel-Murks." Christian Ströbele dagegen kündigte an, sich erst am Donnerstag entscheiden zu wollen, wie er abstimmt, da noch Verhandlungsgespräche angekündigt worden seien.

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22 Kommentare

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  • N
    Nico

    In Baden-Württemberg können die Grünen den Atom-

    sustieg beschleunigen. Vier Kernkraftwerke. Zwei

    hat Frau Merkel abgestellt. Zwei warten noch, also

    Herr Kretschmann warum nicht bis 2017.

    Die Grüne Fraktion im Landtag wird sicher einen

    entsprechenden Antrag stellen.

    Est ist jedoch anzunehmen, daß die Grünen an dieses

    Ziel selbst nie geglaubt haben. Wir werden sehen.

  • H
    hann0s

    Was lernen wir daraus? Wenns die Medien fordern, wenn SPD und CDU "Regierungsfähigkeit" draufschreiben und wenn man nur genug Druck macht Stimmen die Grünen allem zu. Solche Parteien braucht die Welt, mehr davon!

  • N
    Nico

    In Baden-Württemberg können die Grünen den Atom-

    sustieg beschleunigen. Vier Kernkraftwerke. Zwei

    hat Frau Merkel abgestellt. Zwei warten noch, also

    Herr Kretschmann warum nicht bis 2017.

    Die Grüne Fraktion im Landtag wird sicher einen

    entsprechenden Antrag stellen.

    Est ist jedoch anzunehmen, daß die Grünen an dieses

    Ziel selbst nie geglaubt haben. Wir werden sehen.

  • DD
    .. der Ralf

    Frau Roth, Herr Özdemir, Herr Trittin,

     

    ich erwarte ihren schnellstmöglichen Rücktritt und eine angemessene Entschuldigung bei ihren Wählern.

     

    Ein ehemaliger Wähler der Grünen

  • A
    Alvaro

    Ich finde es peinlich, wieviele Kommentare rein aus antigrünem Beißreflex geschrieben werden! 

     

    Die neue Gesetzesvorlage macht aus 2040 nun 2022. Im Vergleich zur grünen Forderung sind das 18 statt 23 Jahre Restlaufzeit, also ca. 78% der grünen Forderung. Diese 78% auszuschlagen (obwohl das 100%-Ziel dadurch nicht aufgegeben wird!) ist ober-kleinkindergarten-peinlich. 

     

    Wer so dogmatisch Politik machen möchte, soll es gerne versuchen. Viel einfacher ist es natürlich, real gar nichts umzusetzen und nach den grünen Verrätern zu schnappen.

  • X
    xxxxxxx

    Wer hat uns verraten

    Sozialdemokraten

    und wer war mit dabei

    die GRÜNE Partei

  • C
    Conscience

    Das mindestete, was jetzt wohl noch von den Klardenkenden der Grünenpartei zu erwarten wäre, ist dass sie sich bei ihrer Abstimmung auf ihr Gewissen berufen und einem Parteikonsens eine klare Absage erteilen. Über dieses Wochenende muss innerhalb der Partei weiterdebattiert werden! Damit das geschieht sind "Abweichler" absolut notwendig. Allerdings wer wirklich Rückrad hat, der sollte diese Partei schon vor langer Zeit verlassen haben! Eine abgespaltete neue Partei, etwa mit Leuten der Parteibasis, wäre evtl. wieder wählbar!

  • R
    romek

    das immer wiedern geforderte maximale durchbringen eigener ziele+ beschlüsse hat auch was autoritäres+ arrogant-rechthaberisches.....

    die grünen sind in der pragmatischen realität angekommen, nicht erst seit gestern....ja und!!

     

    das man eine demokratische republik nicht nachhaltig verändern kann indem man weite teile der bevölkerung+ deren anscheinenden vertreter meinungsüberfährt sollte sich rumgesprochen haben, auch wenn diese noch so richtig scheint.

     

    ewiggestrige, die nicht bemerken dass sich das land, die menschen, die parteien +auch die grünen verändert+ entwickelt haben sei geraten ihre positionen zu prüfen.mir ist es egal mit wem das land verändern, wichtig ist dass was passiert +das nachhaltig+ auf breiter basis. das als "verrat" an den urgrünen zielen zu sehen ist albern...

  • M
    Martina

    @ Hans Hansen: Unglaublich, dass es solch naive Menschen wie Dich noch gibt. Von den Langzeitschäden wohl noch nix gehört. Studien über Tschernobyl, die versuchen sich einer realistischen Zahl der Todesopfer, die auf die Explosion des Reaktors zurückgeht, anzunähren sprechen von über 400.000 Fällen. Für einen Befürworter des riskanten way of life immer noch pee nuts!? Idiot!

  • M
    Michael

    Dass sich die Grünen ohne Not hinter den langsamsten aller diskutierten Atomausstiegsfahrpläne einreihen und damit auch hinter eine Partei, die Atom will und - wenn gar nichts anderes geht auf Kohle setzt - muss man nicht verstehen, oder? Ich dachte die Grünen wären für eine Energiewende ... oder haben sie gerade einfach nur im Namen eines zukünftigen Bündnisses mit der CDU/CSU erklärt, dass Atomkraftwerke doch nicht soo gefährlich sind?

  • P
    pautermann

    Ja es ist traurig, dass die Grünen dem ganzen zustimmen, aber jetzt die ganze Partei wieder der ganzen PArtei Opportunismus und sonst was vorzuwerfen, geht zu weit.

    Immerhin haben sich 45% auf der BDK gegen den Vorstandsentwurf gestellt, 45! Das ist zwar eine Minderheit aber doch eine knappe, und diese LEute sind sicher nicht zufrieden mit dem Ergebnis, und können Hermann Ott sehr gut verstehen.

  • U
    Urgestein

    Gysi hat leider vollkommen Recht und die Grünen zeigen einmal mehr, dass sie inzwischen nicht mehr sind als eine FDP mit Öko-Anstrich fürs ach so gebeutelte "schlechte Gewissen".

     

    Nur noch zum Kotzen.

  • W
    wildbiene

    Der Startschuß für den großen Machtpoker ist gefallen.

    Mit weiterem Drängen zur Mehrheitsfähigkeit aus Machteifer werden zukünftig weitere Positionen zunehmend aufweichen. So ist Realpolitik per se und könnte auch nicht anders sein.

    Anders sein kann nur die Entscheidung eines jedes Einzelnen. Damit zeigt der Weg in Richtung themenbezogener Abstimmungsdemokratie. Von der gönnerhaften Parteidemkratie hin zur auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene stattfindenden Bürgerdemokratie. Ob die Grünen diesen Weg gehen?

  • K
    Katev

    Das sind doch alles Rituale. Spätestens seit 1998 sind die Grünen Umfaller oder Anpasser und seitdem beschweren sich die Verbände und Bewegungen über entsprechende Beschlüsse, die dem technokratischen Mainstream genehm sind. Echt langweilig.

     

    Die (Umwelt-)Verbände sollten endlich anfangen, sich von den Grünen zu emanzipieren. Diese Milieuverhaftung ist peinlich. Links davon gibt es mittlerweile eine andere Partei, die NOCH für adäquat ambitionierte Ziele steht. Statt rumzujammern sollte man Berührungsängste überwinden und um der Sache willen zur Konkurrenz gehen.

     

    Was sagt eigentlich Sven Giegold zum Beschluss seiner Partei?

  • PW
    Peter Wallenstein

    Die hier oft geäußerte Vorstellung von 'Grüner Basis' ist eine rückwärtsgewandte, die mit den tatsächlichen Gesellschaftlichen Verhältnissen nichts mehr zu tun hat.

     

    Zur Erinnerung: schon vor zehn Jahren während der rot-grünen Atom-Ausstiegs-Diskussion hat die 'vermeintliche' Basis angekündigt, sich von den Grünen abzuwenden. Passiert ist - nichts! Im Gegenteil: Die Grünen haben langfristig an Einfluss in der Gesellschaft gewonnen, weil das Programm der Partei den nerven einer neuen bürgerlichen Schicht getroffen hat.

     

    Heute steht die gleiche 'Basis' wieder in der Ecke und ruft ihre Nörgeleien in den politischen Raum. Doch werden sie - zu Recht - mit Missachtung bestraft.

     

    Die Grünen haben am Samstag den entscheidenden Schritt nach vorne getan und deutlich gezeigt, dass sie bereit sind, an der Zukunft dieses Landes konstruktiv mitzuarbeiten.

     

    Wem das zu viel Verantwortungs- und Machtbewusstsein ist, kann ja Die Linke wählen.

  • R
    Rainer

    Dass die Grünen sich so schwer tun mit der Zustimmung, steht ihnen in meinen Augen gut. Würden sie diesem Kompromiss ohne Schmerzen zustimmen würden sie Glaubwürdigkeit einbüßen.

    Immerhin vertreten die Grünen ja die Meinung es könne schneller gehen.

    Aber würden sie jetzt nicht diesem Kompromiss zustimmen würden sie das Risiko eingehen, dass der Ausstieg wieder verzögert wird. Sie sollten mMn. erst mal die beiden Parteien der Wirtschaftslobby auf das festnageln was diese jetzt beschlossen haben. Oppositionsarbeit soll ja nicht bedeuten die guten Ideen der Regierung abzuwürgen, weil man glaubt es ginge nicht weit genug. Ab 2013 wird sich ja hoffentlich was ändern und dann ist es an der Zeit den Ausstieg im Sinne der Grünen zu verändern.

    Bis dahin müssen die Grünen aus der Opposition heraus, immer wieder den Finger in die "Wunde" legen, um die Schwarzgelben auf ihre unzulängliche Entscheidung hinzuweisen und um evtl., etwas zu verändern. Es geht ja nicht nur um den Atomausstieg, es geht um eine Energiewende bei der es noch vieles zu verbessern gillt. Es gibt noch genug Baustellen bei denen die Grünen ihre Glaubwürdigkeit brauchen und zwar Glaubwürdigkeit nicht nur bei dem "harten Kern" der Anti-Akw-Bewegung sondern auch im Rest der Bevölkerung. Wenn sie zu "Reaktionär" wären, würden sie diese mMn. aufs Spiel setzen.

    Es ist frustrierend aber in diesem Falle denke ich: lieber den Spatz in der Hand

  • P
    Paria

    Typisch Grün...reiner Opportunismus um den zukünftigen rechts-konservativen Koalitionspartner nicht zu verärgern.

  • JC
    Jörg Cappallo

    Als Wähler der "Grünen" fühle ich mich hintergangen.

    Der Kuschelkurs mit der Regierungsjunta unter dem merkel´schen Kreuz ist in extremsten Maße hinterfotzig und verät die Wähler. Dass sich Parteiräson gegen die erklärte Basismeinung durchgesetzt hat zeigt, dass die Grünen nun vollständig im Lobbygeschäft angekommen sind.

    Nimmt man dazu noch die Aussagen des Vorsitzenden und Bilderberger-Teilnehmers CEM ÖZDEMIR, der eine zentrale europäische Wirtschaftsregierung fordert und dafür Verfassungsgrundsätze ändern will, dann verdient die Partei " Grüne" den Namen genausowenig wie die CDU das "Christlich" oder die SPD das "Sozial".

    Zusammengenommen mischt sich dies zu einem eindeutigen Braun.

    Es ist zu hoffen, dass die Basis der "Grünen" dieser Entwicklung Einhalt gebietet und die Parteiführung absetzt.

  • T
    T.V.

    ..und Gysi untertreibt noch. Technisch möglich ist ein Abschalten schon 2012.

  • 2
    2010sdafrika

    Die Partei von Cem Özdemir ist ein wirkliches Phänomen im PR-Sinne. Denn dass diese Partei den Ministerpräsidenten in Baden-Württemberg stellen durfte, ist doch weiterhin unglaublich und eine wirkliche Meisterleistung der Extraklasse. Die Atomdebatte, die Ablehnung von Stuttgart 21 oder die kritische Positionierung zur Gesundheitsreform bescherten den Grünen diese Superergebnisse im Süden der Republik. Ob der Atomausstieg um einige Jahre nach hintenversetzt wird oder nicht - diese Debatte hat nur einen Sinn: Die Grünen sind wieder in den Medien präsent: http://2010sdafrika.wordpress.com/2010/08/17/bundestagsabgeordneter-bewertet-atomenergie-sudafrikas/.

  • A
    Atomausstieg

    "Wenn so ein Ding hochgeht, sind wir mit schuld", sagte Ott zur Begründung der Leipziger Volkszeitung."

     

    Scheinbar sind die Grünen der Meinung, das von den Atomkraftwerken keine Gefahr ausgeht.

  • HH
    Hans Hansen

    Letztlich ist es komplett egal, was beschlossen wird.

    AKWs in Japan haben vielleicht max. 10 Menschen getötet, die Welle des Tsunami ca. 20000.

    Und der Strassenverkehr ?

     

    "German Angst" lässt uns irrationale Beschlüsse verfolgt, deren Auswirkungen dann unsere Kinder ausbanden. Sehr nachhaltig gedacht.