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Nach Giftgasangriff in SyrienMilitärische Antwort möglich

Der Weltsicherheitsrat blieb sich über eine Reaktion auf den Giftgasangriff in Douma uneinig. Aus der US-Regierung heißt es, ein Vergeltungsschlag sei bald denkbar.

Rauch über Douma nach Bombenabwürfen Foto: imago/Xinhua

New York ap | Die USA, Frankreich und Großbritannien haben ausführlich über eine militärische Antwort auf den mutmaßlich von der syrischen Regierung begangenen Giftgasangriff nahe Damaskus beraten. Möglicherweise werde es bereits zum Ende dieser Woche zu einem Vergeltungsschlag kommen, hieß es am Dienstag aus US-Regierungskreisen. Um in der Krise präsent zu sein, sagte Präsident Donald Trump seine Teilnahme am Gipfeltreffen der Organisation Amerikanischer Staaten ab. Im Weltsicherheitsrat landeten alle Bemühungen indes in einer politischen Sackgasse.

Aus dem Umfeld der US-Regierung hieß es zunächst, weder Washington noch London oder Paris hätten bereits eine bindende Entscheidung zum Vorgehen in Syrien gefällt. Am Samstagabend war es in der Stadt Duma zu einem mutmaßlichen Giftgasangriff mit mindestens 40 Toten gekommen. Bilder von Kindern mit Schaum vor dem Mund sorgten weltweit für Entsetzen.

Im Weltsicherheitsrat scheiterten am Dienstag drei Resolutionsentwürfe, die Reaktionen auf den Vorfall eingeleitet hätten. Gegen einen Entwurf aus den USA legte Russland Veto ein. Dieser sah vor, ein neues Gremium zur Untersuchung von Chemiewaffenangriffen ins Leben zu rufen. Für die rivalisierende russische Resolution kamen nicht genügend Stimmen zusammen. Demnach hätte der Sicherheitsrat das Recht bekommen, die Erkenntnisse des Gremiums „gründlich zu prüfen“ – dies hätte Russland beispielsweise eine Vetomöglichkeit eingeräumt.

Im dritten Resolutionsentwurf am späten Dienstagabend, ebenfalls von Moskau eingebracht, wurde schließlich eine Untersuchung durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen begrüßt. Aber auch dieser kam nicht durch den Weltsicherheitsrat. Ein „Nein“ der Briten erklärte die britische UN-Botschafterin Karen Pierce unter anderem damit, dass ein OPCW-Ermittlerteam bereits auf dem Weg nach Syrien sei. Zudem habe Russlands Vorschlag keinen Vorstoß für eine neue Expertengruppe enthalten.

Militäroperation als Botschaft

Der russische Botschafter Wassili Nebensja äußerte angesichts der gescheiterten Resolutionen Bedauern. Er rief die USA und Großbritannien auf, von einem Militärschlag gegen Syrien abzusehen. Die Vereinigten Staaten versuchten, die internationale Gemeinschaft in die Irre zu führen und brächten diese „einen Schritt näher in Richtung Konfrontation“.

Die US-Botschafterin Nikki Haley dagegen sagte, ihr Land sei Russland weit entgegengekommen. Aber der erste russische Resolutionsentwurf hätte bedeutet, dass Moskau die Ermittler hätte aussuchen und die Ergebnisse der Untersuchung beurteilen dürfen.

Nach der Blockade im Weltsicherheitsrat zeigte sich auch Schwedens Botschafter Olof Skoog enttäuscht. Er hoffe, dies werde nicht als das Ende verstanden, Fakten zu ermitteln und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Unterdessen gab die Organisation für das Verbot chemischer Waffen bekannt, in Kürze eine Mission nach Douma senden zu wollen, um den Vorfall zu überprüfen

Eine gemeinsame Militäroperation, möglicherweise mit Führung Frankreichs statt der Vereinigten Staaten, könnte eine Botschaft der internationalen Einheit für das Verbot chemischer Waffen aussenden. Der französische Präsident Emmanuel Macron benötigt keine Erlaubnis des Parlaments für einen möglichen Militärschlag. Seit 2014 kämpft das Land an der Seite der USA in Syrien gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.

Aus den Reihen der US-Regierung hieß es zudem, die Verbündeten würden eine Reaktion erwägen, die über den Angriff eines syrischen Luftwaffenstützpunktes im vergangenen Jahr hinausgeht. Im April 2017 war es einen Tag lang zum Angriff auf die Basis Al Schairat gekommen – ebenfalls ein Vergeltungsschlag für einen mutmaßlich von Präsident Baschar al-Assad angeordneten Giftgasangriff. Macron sagte, ein möglicher weiterer Einsatz werde auf Chemiewaffenlager zielen.

Unterdessen gab die Organisation für das Verbot chemischer Waffen bekannt, in Kürze eine Mission nach Duma senden zu wollen, um den Vorfall zu überprüfen. Das hätten die syrische Regierung und deren Unterstützer Russland beantragt. Ob dies Einfluss auf einen möglichen Vergeltungsschlag haben könnte, war zunächst unklar.

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4 Kommentare

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  • Es ist nicht der Rede Wert, was Trump da an innenpolitisch motivierten Aktionen vorhat.

    Solange nicht 100.000 Freiwillige internationale Brigaden bilden und gemeinsam mit den SyrerInnen die Terrorherrschaft der drei Militärgeheimdienstclans beseitigen, brauchen wir darüber gar nicht weiterreden.

  • Auch wenn jetzt durch die Vergeltungsschläge wieder -zigtausend Menschen sterben, so ist damit doch Recht getan und die Werte sind einmal mehr gerettet.

     

    Wir sollten uns nicht lumpen lassen und endlich auch unsere KriegsarbeiterInnen* gen Syrien schicken, damit sich nicht nur die USA, Frankreich und Großbritannien die Meriten verdienen, sondern die freie Welt erstmalig auch Deutschland dankt. Wo bleibt die verehrte Frau Ministerin von der Leyen mit der Bundeswehr?

  • "Die USA, Frankreich und Großbritannien haben ausführlich über eine militärische Antwort auf den mutmaßlich von der syrischen Regierung begangenen *mutmaßlichen Giftgasangriff nahe Damaskus beraten"

    Muss man das wirklich noch kommentieren? Wochenlang hat man 'das Böse' herbeigeredet, und nun ist die Welt bereit, die Rache der westlichen Wertegemeinschaft entgegen zu nehmen...?!? Komischerweise fehlt in diesem Bericht über die Kriegsvorbereitungen, daß es sich um einen VÖLKERRECHTSWIDRIGEN ANGRIFFSKRIEG handeln würde. Natürlich, auch ein Giftgaseinsatz ist völkerrechtswidrig; makabrerweise aber nicht im Inland - und natürlich nur, wenn er tatsächlich stattgefunden hat. Wenn man aber der andauernden Eskalation zuschaut, dann erkennt man das Muster: ein Giftgasangriff kann nun mal dazu führen, daß weitere Parteien eingreifen, natürlich 100%ig aus humanitären Gründen...

    (*hinzugefügt aus der Unterschrift des Bildes)

  • Schon einmal hatten die USA eine deutliche Reduzierung ihres Einsatzes in Syrien angekündigt und auch damals erfolgte kurz darauf ein Giftgaseinsatz.

    Das legt einen Zusammenhang nahe. Aber welchen?

    Die russische Spekulation, dass Rebellen diesen inszeniert haben, damit die USA sie weiter unterstützen ist zwar eine naheliegende Variante, aber nicht die einzig mögliche Variante.

    Denkbar wäre auch, dass im Assad-Militärapparat von dem Konflikt USA-Russland profitiert wird und daher ein Abzug der Amerikaner verhindert werden soll.

    Ebenso denkbar ist, dass Israel zur Bekämpfung des Einflusses des Irans den Anschlag inszeniert hat.

    Hier nicht an geheimdienstliche Verwicklungen zu denken, ist naiv. Wer aber nur eine mögliche Variante berücksichtigt, denkt nicht weit genug. Geheimdienste denken weit mehr über Bande, als es den meisten unter uns bewusst ist.

    Das zeugt davon, dass wir inzwischen zum Spielball von Geheimdienstinteressen geworden sind, die uns nach Belieben eine fabrizierte "Wahrheit" vorlegen, um unser Handeln zu bestimmen. Kaum zu glauben, dass wir uns über die Beeinflussung durch Facebook aufregen, hier aber tatenlos zusehen. Sicher, kann man die fremden Dienste da schlecht regulieren - aber bei unseren eigenen Diensten, die ebenfalls Terroristen unterstützen, könnte und müsste man anfangen.

    Ein Startpunkt dazu wäre, die Geheimdienste für verübte Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Unsere Staatsanwaltschaft schaut da konsequent weg - sie kann da auch gar nicht anders agieren, da sie von der Regierung kontrolliert wird. Daher zeichnen Sie die Petition für eine unabhängige Staatsanwaltschaft in Deutschland: https://www.change.org/p/parlament-einf%C3%BChrung-einer-unabh%C3%A4ngigen-staatswanwaltschaft-in-deutschland?recruiter=24880619&utm_source=share_petition&utm_medium=copylink&utm_campaign=share_petition&utm_term=triggered