Nach Gaulands Boateng-Äußerung: Krach um Blogtext
Der Landeschef des Berliner Journalistenverbands DJV-BB verteidigt Alexander Gauland (AfD). Und zweifelt an der Seriosität seiner Kollegen.
Wenn Klaus Minhardt über die Arbeit seiner Kollegen im Zuge der Gauland/Boateng-Geschichte spricht, dann bemüht er große Worte: „Pseudoqualitätsmedien“, „Hetzjagd“, „Sensationslust“. Letztere sieht der Chef des Landesverband Berlin-Brandenburg (DJV-BB), der Teil des Deutschen Journalistenverbands (DJV) ist, in dem Vorgehen zweier Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).
Eckart Lohse und Markus Wehner hatten den AfD-Vize Alexander Gauland am Wochenende mit der Aussage zitiert: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Das Zitat hatte zu heftigen Reaktionen geführt. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sagen lassen, Gaulands Aussage sei „ein niederträchtiger und ein trauriger Satz“.
Minhardt schrieb darauf am Montag einen Text auf der Webseite des DJV-BB. Darin zweifelt er an der Seriosität des Artikels in der FAS: „Bar jeglicher Beweise für diese Aussage stürzt sich gleich das ganze Netz inklusive der Pseudoqualitätsmedien wie Spiegel, Zeit und unzählige weitere auf die Jagdbeute Gauland.“ Er wirft Lohse und Wehner vor, sie hätten aus Sensationslust Gauland zu einer Aussage getrieben, für deren Echtheit sie keine Beweise hätten.
„Boateng ins Feld zu führen, ist pure Boshaftigkeit seitens der FAS“, sagte Minhardt der taz. Die FAS-Redakteure müssten mit einer Klage wegen übler Nachrede rechnen, und hätten in diesem Fall keine Beweise, dass der Satz wirklich gefallen ist. Lohse und Wehner hatten angegeben, keine Tonbandaufzeichnung über ihr Gespräch mit Gauland zu besitzen.
Selber schuld an „Lügenpresse“?
Das Verhalten der FAS-Redakteure sei journalistischer „Jagdinstinkt“, der sich auf unlautere Weise gegen die AfD richte, so Minhardt weiter. Der Vorwurf der „Lügenpresse“ komme daher, „dass auf derart voreingenommene Weise berichtet wird“. Mit jeder „Hetzjagd“ auf die AfD würden deren Umfragewerte besser.
Der Dachverband DJV distanziert sich von Minhardts Aussagen. „Es besteht für uns weiterhin kein Zweifel, dass das Zitat gefallen ist“, sagte DJV-Sprecher Hendrik Zörner der taz. Auch Minhardts Vorwurf, die FAS-Redakteure hätten Gauland eine Falle gestellt, wies Zörner zurück und betonte weiter, hier handle es sich um Aussagen eines Landesvorsitzenden, der im Gesamt-DJV eine „untergeordnete Rolle“ spiele. Der Blogeintrag sei nicht durchdacht und keinesfalls hinreichend, um an den Qualitätsstandards der FAS zu zweifeln.
Der DJV-BB ist tatsächlich schon länger ein Dorn im Fleisch des Bundesverbands. Er existiert parallel zu den anderen beiden Berliner und Brandenburger Landesverbänden DJV Berlin und JVBB. Der DJV-BB, dessen Vorstand Klaus Minhardt ist und dessen Postadresse denkbar weit entfernt von Berlin, nämlich in Weil am Rhein, liegt, verbleibt trotz geringerer Relevanz im Dachverband und verbreitet im Netz regelmäßig Sticheleien unter dem DJV-Logo.
So provoziert Minhardt in einem Userkommentar auf dem Medienportal Meedia.de: Gaulands Rede vom „Zustrom raum- und kulturfremder Menschen nach Deutschland“ sei sachlich richtig, die Darstellung der FAS hingegen propagandistisch.
Entweder ist dies wahrhaftig die persönliche Meinung eines deutschen JournalistInnenvertreters – dann hätte der Argwohn gegen die Medien nebst einfacher Weltbilder nun auch die Medienverbände selbst erreicht. Oder aber es handelt sich hier um den Vorsitzenden eines unbedeutenden Zwergverbands, der in den Kommentarspalten nach Applaus sucht, indem er das Bild von der AfD als Opfer der vermeintlich gleichgeschalteten Medien befeuert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin