: Nach Drama in Drama kein Drama in Dessau
■ Alba Berlins Jörg Lütcke ist der „Schlüsselspieler“ beim 79:53-Sieg des deutschen Teams im letzten Qualifikationsspiel zur Basketball-Europameisterschaft gegen die Slowakei
Dessau (taz) – Henrik Dettmann ist nicht unbedingt ein Freund der Statistik im Basketball. Selten läßt sich der finnische Bundestrainer eine Gelegenheit entgehen, an bestimmten Punkten auf die mangelnde Aussagekraft des Zahlenwerks hinzuweisen. So auch am Samstag nach dem letzten Gruppenspiel des bereits für die Europameisterschaft qualifizierten deutschen Teams gegen die Slowakei, das vor 2.000 Zuschauern in Dessau scheinbar souverän mit 79:53 gewonnen wurde. Scheinbar, denn in der ersten Halbzeit gab es eine wacklige Phase, als die Slowaken ausgleichen konnten und das deutsche Team komplett seine Linie verlor. „Man kann es in der Statistik nicht sehen“, dozierte Dettmann später, aber „in dieser Situation war ein Spieler die Schlüsselfigur: Jörg Lütcke.“ Das „Scouting“ verzeichnet den Akteur von Alba Berlin mit zwei Punkten und zwei Rebounds in 19 Minuten Spielzeit, was wahrlich nicht spektakulär aussieht, doch seine Defense war es, welche die Mannschaft „in einer harten Zeit“ (Dettmann) wieder auf Kurs brachte. Zweimal trieb Lütcke die gegnerischen Angreifer „sehr klug zu Offensivfouls“, lobte der Bundestrainer, einmal bremste er auf diese Weise einen Konter ganz allein.
In Berlin ist Jörg Lütcke mit seiner rigorosen Verteidigungsarbeit einer der Publikumslieblinge, aber er hat auch ein gravierendes Problem. Wenn Henrik Dettmann in der Max-Schmeling-Halle vorbeischaut, kann es durchaus geschehen, daß der 23jährige so gut wie gar nicht spielt. Im starken Kader des Deutschen Meisters sind die Spielzeiten auch für Nationalspieler knapp, und wer auf der Bank sitzt, gerät leicht in Vergessenheit. So kam es, daß Jörg Lütcke lange keine Berücksichtigung mehr im Nationalteam fand. Im Laufe der Saison wurden seine Spielzeiten aber auch in der Europaliga länger, und Defensivleistungen wie die gegen Real Madrids Alberto Angulo, einen der gefürchtetsten Werfer Europas, der in Berlin am Rande des Nervenzusammenbruchs agierte, ebneten den Weg zur Rückkehr in Dettmanns Aufgebot. Nach dem starken Auftritt gegen die Slowakei stehen Lütckes Chancen auf eine Teilnahme an der EM im Juni gut, auch wenn es ein kräftiges Gerangel um die Plätze geben wird, da mit Dirk Nowitzki, Ademola Okulaja und Michael Koch drei gesetzte Spieler in Dessau nicht dabei waren.
Ob Jörg Lütcke bei der EM seinem Traum einer Olympiateilnahme in Sydney 2000 näher kommen kann, steht auf einem anderen Blatt. Von den 16 Teams, die in Frankreich teilnehmen, qualifizieren sich die besten sechs für Olympia, und man darf davon ausgehen, daß Europas große Basketballnationen ihre stärksten Akteure aufstellen werden. Anders als bei der EM 1997 in Spanien, wird es diesmal von NBA-Cracks geradezu wimmeln. „In Frankreich sind zwölf große Nationalteams am Start“, sagt Henrik Dettmann, „Deutschland ist eines davon.“ Besonders bitter war in diesem Zusammenhang die 53:58-Niederlage gegen Griechenland am letzten Mittwoch, die das Abrutschen auf den dritten Tabellenplatz und damit eine schlechtere Ausgangsposition für die Auslosung am 12. März bedeutete. Ein Unglück, das nicht nur der Bundestrainer auf haarsträubende Schiedsrichterleistungen im griechischen Spielort Drama zurückführte. Aber, so Dettmann, „in der Statistik gibt es keine Rubrik für Fehlentscheidungen der Referees“. Matti Lieske
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