Nach Berichten über Tierquälerei: Boykott gegen Wiesenhof-Hähnchen
Die größten Schweizer Supermarktketten kaufen nichts mehr von Deutschlands größtem Geflügelfleischkonzern. Sie begründen das mit den Tierquäler-Vorwürfen gegen Wiesenhof.
BERLIN taz | Nach Vorwürfen wegen Tierquälerei boykottieren die größten Schweizer Supermarktketten Deutschlands führenden Geflügelfleisch-Konzern PHW/Wiesenhof. Migros, Coop und Denner bestätigten am Mittwoch der taz, dass sie keine Wiesenhof-Produkte mehr kaufen.
"Das wird sicher sogar für Wiesenhof nicht mehr aus der Portokasse zu begleichen sein", sagte Migros-Sprecher Urs Peter Naef. Allein Migros und Coop verbuchen ungefähr die Hälfte des Schweizer Einzelhandelsumsatzes.
Damit reagieren die Ketten darauf, dass wieder ein Fall von Tierquälerei auf einer Vertragsfarm von Wiesenhof bekannt geworden ist. Am 31. August zeigte das ARD-Fernsehen Videoaufnahmen, auf denen von Wiesenhof beauftragte Mitarbeiter Puten treten, durch die Luft schleudern und in Käfige auf einem Lastwagen werfen. Ein Schweizer Sender zeigte die Aufnahmen am Dienstagabend. Bereits Anfang 2010 waren ähnliche Bilder aus einem Wiesenhof-Betrieb veröffentlicht worden.
"Damals haben sie uns glaubhaft versichert, dass sie Maßnahmen ergreifen werden", erklärte Migros-Sprecher Naef: "Aber offensichtlich können sie unsere Anforderungen wie tiergerechten Umgang nicht garantieren."
Die Konkurrenz ist auch nicht besser
Allerdings können die Ketten ihren Geflügelfleischbedarf nicht allein in der Schweiz decken, wo die Tierschutzbestimmungen laut Coop strenger sind als in der Europäischen Union. Coop etwa importiert nach eigenen Angaben 25 Prozent - die Hälfte davon lieferte bislang Wiesenhof. Nun werde die Supermarktkette versuchen, Ware von anderen Produzenten in Deutschland und Ungarn zu bekommen.
Die Wiesenhof-Konkurrenten behandelten ihre Tiere aber auch nicht besser, erklärte die Tierrechtsorganisation Peta, die die Videos aus den Ställen aufgenommen hat. "Die Produkte aus der Massentierhaltung sind alle so wie bei Wiesenhof", sagte Sprecher Edmund Haferbeck. Dennoch hält er den Boykott der Schweizer für sinnvoll. "Wiesenhof ist mit Abstand Marktführer in Deutschland. Wenn er so stark unter Druck gerät, dass er den Tierschutz verbessert, dann hat das Signalwirkung für alle." Andere Firmen müssten dann ebenfalls ihre Haltungsbedingungen ändern.
Um den Druck zu erhöhen, verlangt Peta auch vom deutschen Handel, auf Wiesenhof-Produkte zu verzichten. Doch der größte deutsche Lebensmittelhändler, Edeka, ebenso wie Konkurrent Rewe forderten nur, dass Wiesenhof die Vorwürfe aufklären müsse. Peta antwortete darauf: "Es ist alles geprüft worden. Unsere Bilder sind authentisch. Das ist sogar von Wiesenhof eingeräumt worden." Die Discounter Lidl und Aldi gaben keine Stellungnahme ab. Auch Wiesenhof selbst äußerte sich nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs