Nach Anti-Atom-Referendum in Italien: Lega Nord ist sauer auf Berlusconi
Nach der Niederlage bei der Volksabstimmung kriselt es in Berlusconis Regierungskoalition. Die Opposition hingegen feiert ihren zweiten großen Sieg in nur wenigen Wochen.
ROM dpa | Die schwere Niederlage der italienischen Regierung bei den vier Referenden am Sonntag und Montag verschärft die Spannungen zwischen Ministerpräsident Silvio Berlusconi und seinen Koalitionspartnern von der Lega Nord. Es reiche jetzt mit den "Ohrfeigen", kommentierte die von Umberto Bossi geführte populistische Partei, die zusammen mit Berlusconis PdL (Volk der Freiheit) die Regierung in Rom bildet. Die Lega will eine Reihe von Forderungen für ein Weitermachen in der Regierung stellen.
Die Bürger hatten nicht nur eine Rückkehr zur Atomkraft abgelehnt, sondern sich auch gegen eine Privatisierung der Wasserversorgung und gegen den Schutz ranghoher Politiker vor Strafverfolgung ausgesprochen. Die Schlappe bei der Volksabstimmung war kurz nach den Kommunalwahlen bereits die zweite böse Überraschung für die Mitte-Rechts-Regierung, die regulär noch bis 2013 im Amt ist.
Der 74-jährige Berlusconi selbst kehrte am Tag nach der Niederlage zum Regierungsalltag zurück. Berlusconi setzte am Dienstag eine Kabinettssitzung in seinem Regierungspalast an, um mit den Ministern "ausschließlich" über ein neues Müllgesetz zu reden.
"Regierung und Parlament haben jetzt die Aufgabe, den Entscheidungen der Referenden voll nachzukommen", hatte er die Niederlage am Montag kommentiert.
Und dann noch eine Anhörung im Fall Ruby
Ebenfalls am Dienstag gab es in Mailand in Berlusconis Sexprozess um den Fall Ruby eine weitere Anhörung. Dabei legte die Anklage ihre konträre Sicht zu den 16 Einsprüchen der Berlusconi-Verteidiger dar. Das Gericht wollte dann im Juli über die Vorstöße der Verteidiger entscheiden.
Dem Regierungschef werden Amtsmissbrauch und Sex mit minderjährigen Prostituierten vorgeworfen, den er mit der jungen Marokkanerin Ruby bei wilden "Bunga-Bunga-Festen" gehabt haben soll.
Die Italiener hatten sich in dem Anti-Atom-Referendum massiv gegen einen Wiedereinstieg ihres Landes in die Kernenergie ausgesprochen. Bei einer bemerkenswerten Beteiligung von 57 Prozent verwarfen 94,7 Prozent der Abstimmenden eine Rückkehr zu Atommeilern. 95,1 Prozent setzten das "Immunitätsgesetz" außer Kraft, das es Amtsinhaber Berlusconi erlaubt hat, bei einer "legitimen Verhinderung" seinen gegenwärtig vier Verfahren fernzubleiben.
Das Schutzschild-Gesetz für Berlusconi war zuvor schon höchstrichterlich massiv beschnitten worden. Gegen die Privatisierung der Wasserwerke stimmten sogar 95,8 Prozent.
Die linke Opposition, Umweltschützer und Atomgegner feierten ihren großen Sieg nachts auf der Piazza und auch im Internet. Sie forderten erneut den Rücktritt Berlusconis, einige auch sofortige Neuwahlen. 57 Prozent Wahlbeteiligung bei der Volksabstimmung bedeuteten, dass es erstmals in 16 Jahren bei einem Referendum dieser Art wieder gelungen war, die Hürde (Quorum) von 50 Prozent Wahlbeteiligung zu nehmen.
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