Nach Anschlag auf Mannichl: Vom Hohn zur Hetze
Nach dem Mordversuch an dem Passauer Polizeipräsidenten versucht die rechtsextreme Szene, ihn zum Täter zu stempeln, der sein Amt gegen sie missbrauche.
Auf den Hohn der rechtsextremen Szene folgt die Hetze. Nach dem Mordanschlag auf den Passauer Polizeichef Alois Mannichl wettert die Szene nicht nur weiter über den "Lebkuchen-Mannichl" und den "Fettsack mit dem Herz im Bauch". Frank Schwerdt, Justiziar der Bundes-NPD, droht: "Die NPD wird jeden im Visier behalten, der mit rechtlich fragwürdigen Mitteln ihre Tätigkeit behindert. Herr Mannichl wird mit Gerichtsverfahren rechnen müssen, wenn er Recht und Gesetz vergisst."
Schon nach dem Anschlag, am 13. Dezember, betonte der NPD-Bundesvorsitzende Udo Voigt, die NPD "missbillige" die Tat "aufs schärfste". Er hob jedoch hervor: Der Polizeichef "hat sein Amt missbraucht", um die "nationale Opposition" zu bekämpfen.
Nun greift Schwerdt Mannichl offen an, indem er auf "Ungereimtheiten" in dessen Aussagen verweist. So will Schwerdt wissen, warum ein "leitender Polizeibeamter" ein Lebkuchenmesser vor die Tür legt: "Also Herr Mannichl, warum lag das Messer vor der Tür?", fragt der NPD-Justiziar und hakt gleich nach: "Der angegriffene Mannichl sollte aber schon wissen, ob ein oder zwei Täter vor ihm standen." Die Polizei sucht gegenwärtig zwei Personen, ist sich aber nicht sicher, ob beide womöglich identisch sind.
Dass der Polizeidirektor Mannichl vor der Tür des Krankenhauses bei seiner Entlassung versicherte, "im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht nachzulassen", führt bei Schwerdt zu der erneuten Unterstellung: "Was anderes ist von einen Polizeibeamten nicht zu erwarten, der seinen Beruf dazu missbraucht, unliebsame politische Gegner zu bekämpfen."
Seit über einem Jahr stört die NPD in Bayern um Landeschef Ralf Ollert der "angeblich couragierte Kämpfer gegen rechts". Bereits im Mai 2007 erreicht den NPD-Bundesvorstand eine E-Mail-Beschwerde über Mannichl. Aus Berlin empfahl Schwerdt nach Passau: "Wenn etwas sinnvoll gegen euren Polizeichef unternommen werden soll, muss das sehr präzise vorbereitet und durchgeführt werden." Spiegel Online ließ er wissen, das es allein um die Sammlung von Fakten für eine juristische Auseinandersetzung gegangen sein soll.
Vor allem dass Mannichl im Sommer nach der Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse in Passau das Grab öffnen ließ, um eine Reichsfahne mit Hakenkreuz sicherzustellen, brachte die Szene in Rage. Bei der Beerdigung griffen Rechte einen Journalisten an und verletzen ihn (die taz berichtete).
Für die "Nationale Opposition" streckt hinter den Ermittlungen indes nur eins: Mit den vermeintlich einseitigen Ermittlungen wolle "die Politik" sich für das Wahljahr 2009 gegen die NPD "munitionieren", erklärt Schwerdt. "Die Tat", weiß ebenso der bayrische NPD-Sprecher Roland Wuttke, würde für "politische Machenschaften" missbraucht.
Die "Freien Nationalisten München" sehen sich auch zu Unrecht verfolgt. Die Inhaftierung zweier ihrer Aktivisten, des Ehepaars Manuel und Sabrina H., wegen des Verdachts der Tatbeteiligung, ist für sie nur der Beweis für eine "Hexenjagd". Der kurzfristig festgenommen Chef der Kameradschaft, Philipp Hasselbach, kündigt nun Aktionen gegen die "Repression" an. In Szeneforen spricht er von einem großen Ablenkungsmanöver: "Die Besatzer mit ihren Vasallen müssen ja voll ablenken von dem Wahnsinn der Bayerischen Landesbanken mit den hündischen Gehorsam an die amerikanischen Weltbanken zur Vernichtung der angesparten Geldeinlagen unseres Volkes". Da käme "so ein Polizeipräsident sein Lebkuchenmesserstich im Bauch" gerade zu günstig, verkündet Hasselbach und empfiehlt den Kameraden: "Ihr müsst die wirtschaftliche Lage und der Milliarden Verluste der Banken mit thematisieren, und nicht nur auf dem Polizeipräsidenten Attentat einlassen" (Fehler im Original). Dieser "Fettsack", betont er, ist nur ein "Thema der Ablenkung".
Die Szene soll sich bereithalten, bittet Hasselbach. Denn nach dem bayrischen Versammlungsrecht dürfte erst 72 Stunden nach der Anmeldung die Bekanntgabe erfolgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland