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Deutsche ErstaufführungNabokov in Hannover

„Lolita“ ohne Pathos

Sie ist eine der berühmtesten weiblichen Figuren der Literaturgeschichte: Lo-li-ta. „Lolita“ gilt als Inbegriff der verführerischen Kindfrau. Als Vladimir Nabokovs Roman 1955 in Paris herauskam, erregte die Geschichte um den skurrilen Gelehrten Humbert Humbert, der sich in die minderjährige Lolita verliebt, zunächst einen Skandal. Dann wurde das Buch ein Welterfolg. Die deutsche Erstaufführung der Theaterfassung im hannoverschen Schauspielhaus endete am Samstagabend mit ziemlich heftigem Beifall, in den sich auch ein paar Protest-Rufe mischten.

Nabokov selbst hatte das Drehbuch für die Verfilmung durch Stanley Kubrick geschrieben, der jedoch kaum etwas von dieser Vorlage verwendete. Die hannoversche Theaterfassung ist eine Bearbeitung von Nabokovs Drehbuch durch Dramaturg Werner Feig und Regisseur Peter Kastenmüller. Die Inszenierung betont das theatralische Moment.

Hier wird eine Riesenaxt geschwungen, dort tanzen drei Akteure als Tick, Trick und Track herum – Figuren aus dem Walt-Disney-Kosmos. Humbert Humbert steht schon mal mit Eselkopf in der Ecke. Der erste Beischlaf zwischen ihm und Lolita wird zur Opferszene mit gezücktem Messer. Gegen Ende wallen Nebel über die Bühne. Das Bühnenbild wurde stets in aller Offenheit umgebaut.

Kastenmüller hat Wert darauf gelegt, pathetische Momente zu vermeiden. Seine Verfremdungen und ins Groteske übersteigerten Amerika-Klischees erzeugten Lacher im Publikum. Die Bandbreite der allgegenwärtigen, manchmal sehr lauten Musik reichte von Wagners „Lohengrin“-Ouvertüre bis zu „In Every Dream Home A Heartache“ von Roxy Music. Das tragische Element in der zum Scheitern verurteilten Liebesgeschichte spielte eine eher untergeordnete Rolle.

Im kräftigen, aber nicht gar zu langen Schlussapplaus nach mehr als zwei Stunden Spieldauer schnitten drei Akteure besonders gut ab. Matthias Neukirchs Humbert Humbert mit seiner Mischung aus Verzweiflung und Trotteligkeit gefiel dem Publikum, ebenso Sabine Wegner, die als Lolitas Mutter Penetranz mit einem gewissen Charme zu kombinieren wusste.

Katharina Schüttler schließlich spielte die Lolita vielseitig: mal frech, mal resignierend, mal liebevoll. Die 22-Jährige hat mit dieser Rolle ihre praktische Diplomprüfung an der hannoverschen Theaterhochschule abgelegt.

Sie ist gleichwohl schon lange im Geschäft: Die erste Hauptrolle im Film spielte Katharina Schüttler mit elf Jahren. Zuletzt erhielt sie den mit 20.000 Euro dotierten „Förderpreis Deutscher Film“ für die Titelrolle im Film „Sophiiiie!“

Jörg Worat , dpa

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