: Na dann „gute Nacht, Marie“
betr.: „Wenn der liebe Gott in Bio erscheint“
Darwins Evolutionstheorie gegen biblischen Kreationismus: Dass der biblische Kreationismus jetzt gegen die Darwin’sche Version von der Entstehung des Lebens ausgespielt werden soll, ist ziemlich unangemessen, denn was ist hier das Maß für die Richtigkeit einer der Positionen? Angeblich das „Arbeitspensum“, freut sich die hessische Kultusministerin laut taz. Wenn in der Zukunft des 21. Jahrhunderts im Bundesland Hessen derartige pädagogische Maßstäbe gelten sollen, dann „gute Nacht, Marie“.
Ob eine wissenschaftlich keinesfalls abgesicherte Evolution an den Schulen unterrichtet wird oder ein wissenschaftlich haltloser Schöpfungsbericht, kann sich unmöglich an der Bequemlichkeit irgendwelcher Lehrer/innen oder Politiker/innen orientieren und entscheiden. Auch in einem Jahrhundert, in dem wir fast alles plausibel erklären und oft beweisen können, gehört es zur Würde und souveränen Eleganz moderner Pädagogik, dass entsprechende Lehrer/innen den Schülern/innen zu vermitteln vermögen, dass es wissenschaftlich nicht hundertprozentig abgesicherte Lehren gibt, weil sie auf Thesen und Theorien beruhen und trotzdem zum allgemein anerkannten Wissen gehören, und daneben Wahrheiten, die einer anderen Disziplin angehören, die der Beweise nicht bedürfen, weil sie zum kulturellen Glaubensgut gehören und nicht auf ihre wissenschaftliche Nachweisbarkeit überprüft zu werden brauchen. Das Vermittlungscredo wäre dann: in einer modernen Welt aushalten können, dass es unterschiedliche Disziplinen gibt, die voneinander verschiede Intentionen haben und jeweils andere Zielgruppen ansprechen. Diese Disziplinen können sich ergänzen; sie sollten sich aber zumindest gegenseitig tolerieren und sich Respekt entgegenbringen, indem sie die jeweilige Tragweite würdigen und den individuellen Wahrheitsanspruch anerkennen, der für die jeweilige Disziplin gilt.
Ganz und gar unwissenschaftlich ist es, die unterschiedlichen Disziplinen zu leugnen und darauf zu bestehen, dass die Wahrheit unbedingt und notwendig auf einer Seite liegt. Der Einfachheit halber aber – zu Lasten wissbegieriger Schüler/innen – die Schöpfungslehre aus der Genesis als Wissenschaft im Biounterricht zu lehren, ist naiv und zeugt von großer Hilflosigkeit! IMME KLEE, Hamburg
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