NSU und Verfassunsgschutz: Erneut Akten aufgetaucht
Beim sächsischen Verfassungsschutz sind neue NSU-Akten aufgetaucht. Der stellvertretende Chef muss seinen Schlapphut nehmen.
DRESDEN taz | Auch eineinhalb Jahre nach dem Bekanntwerden der Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds werden im Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz noch brisante Akten entdeckt. Die drei Ordner waren nicht registriert und im Archiv unter der Rubrik der aktuell nicht mehr benötigten Bestände gelagert.
Sie sollen Angaben über Verbindungen zum Ku-Klux-Klan, zum rechtsextremen Netzwerk Blood & Honour sowie über eine im Jahr 2000 im NSU-Umfeld erfolgte Abhöroperation unter dem Decknamen „Terzett“ enthalten.
Der sächsische Datenschutzbeauftragte und eine Expertenkommission des Innenministeriums überprüfen derzeit das Ablagesystem im Verfassungsschutz. Die Akten wurden inzwischen an NSU-Untersuchungsausschuss des Landtages weitergeleitet.
Vor Jahresfrist war noch der damalige Amtschef Reinhard Boos wegen eines ähnlich brisanten Aktenfundes zurückgetreten. Jetzt versetzte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) lediglich den Vizechef des Amtes Olaf Vahrenhold ins Sächsische Staatsarchiv. Der zunächst nach dem Boos-Rücktritt übergangsweise an die Spitze des Sächsischen Verfassungsschutzes berufene Brandenburger Gordian Meyer-Plath soll vielmehr nach dem Willen des Innenministeriums nun dauerhaft die Leitung des Landes-Geheimdienstes übernehmen. Mit ihm soll das Amt transparenter werden und mehr auf die Öffentlichkeit zugehen.
Kerstin Köditz, Sprecherin der Linksfraktion für antifaschistische Politik, sieht dagegen im neuerlichen Aktenfund ein Indiz dafür, „dass das Amt entweder nicht reformierbar oder aber das Spitzenpersonal dazu nicht willens ist“. Kritik an der bisherigen Aktenführung kam auch aus der regierungstragenden FDP-Fraktion. Die Landtagsfraktion der Grünen hatte erfolglos versucht, Meyer-Plath und den Innenminister wegen der Aktenaffäre am Freitag zur turnusmäßigen Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusse zu laden.
Zielfahndung nicht erforderlich
Statt ihrer sagte wie geplant der Thüringer Kriminalbeamte Sven Wunderlich aus. Die Suche nach dem späteren NSU-Trio sei nie in den Rang einer Zielfahndung erhoben worden, weil dies die zuständige Staatsanwaltschaft Gera nicht für angemessen und erforderlich hielt.
Mehr als eine vierzehntägige Haft, so Wunderlich, habe man im Falle einer Festnahme nicht erwartet. Die als erfolgreich geltenden Zielfahnder im Landeskriminalamt Thüringen seien in den späten neunziger Jahren lediglich um Unterstützung gebeten worden. Ab August 2001 wurde der Fall ohnehin vom Thüringer Staatsschutz übernommen.
Er habe nicht den Eindruck gehabt, das NSU-Trio und namentlich Beate Zschäpe, die in den Verdacht geraten war, eine V-Frau zu sein, seien vom Verfassungsschutz gedeckt worden. Mit beiden Verfassungsschutzämtern in Thüringen und Sachsen habe es aber kaum eine Zusammenarbeit gegeben, „weil die ihr Wissen lieber für sich behalten wollten“, sagte der für das Landeskriminalamt tätige Wunderlich.
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