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NSU-UntersuchungsausschussSchily will's nicht ganz gewesen sein

Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) übernimmt einen Teil der Verantwortung für das Versagen beim NSU-Terror. Die echten Fehler sieht er aber woanders.

Schily (rechts) war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister. In dieser Zeit verübte der NSU sieben Morde und zwei Bombenanschläge Bild: dpa

BERLIN taz | Die bisherigen Auftritte von Otto Schily vor Untersuchungsausschüssen waren legendär: Schneidig, arrogant, manchmal aber auch brillant trat der SPD-Mann auf. Unvergessen seine Aussage als Bundesinnenminister in Sachen „Visa-Affäre“, die über fünfzehn Stunden dauerte.

Doch der Otto Schily, der an diesem Freitag vor dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags erschien, war ein anderer. Erkältet und mit heiserer Stimme, sagte der inzwischen 80-Jährige aus. Mit seinem Eingangsstatement war er nach nur zehn Minuten durch und gab dabei auch den Ton vor, den er an diesem Tag anstimmen sollte: Dass die rechtsextreme Terrorzelle NSU jahrelang nicht entdeckt wurde, sei eine „schwere Niederlage des Rechtsstaats“, die ihn sehr belaste.

Er trage auch einen Teil der politischen Verantwortung. Die Hauptschuld sah er gleichzeitig aber nicht bei sich, sondern bei den durch das deutsche Föderalwirrwarr falsch aufgestellten Sicherheitsbehörden. Seine Antwort: mehr Macht für den Zentralstaat.

Schily war von 1998 bis 2005 Bundesinnenminister. In dieser Zeit verübte der NSU sieben Morde auf Migranten und zwei Bombenanschläge. Mit der deutschlandweiten Mordserie, so viel wurde am Freitag klar, beschäftigte sich Schily aber als Minister überhaupt nicht. Oder zumindest konnte er sich daran nicht mehr erinnern. Zuständig seien die Ermittler in Bayern gewesen, so Schily. Dort wurde ein Großteil der Morde verübt.

„Ein kriminelles Milieu“

Mit dem Nagelbombenanschlag des NSU in der von vielen Deutschtürken bewohnten Keupstraße in Köln-Mülheim am 9. Juni 2004, bei dem 22 Menschen verletzt wurden, hatte Schily dagegen als Minister sehr wohl zu tun. Nur einen Tag nach dem Anschlag verkündete er: „Die Erkenntnisse, die unsere Sicherheitsbehörden bisher gewonnen haben, deuten nicht auf einen terroristischen Hintergrund, sondern auf ein kriminelles Milieu.“ In einem Lagebericht seines Ministeriums vom selben Tag hieß es sogar, ein terroristischer Hintergrund werde „derzeit ausgeschlossen“.

Genau darauf zog sich Schily am Freitag vor dem Ausschuss zurück: Er habe damals lediglich das wiedergegeben, was ihm sein Apparat aufgeschrieben oder gesagt habe. Einen negativen Einfluss auf die weiteren Ermittlungen habe das aber nicht gehabt, behauptete Schily. Kritik an seinem Satz könne er trotzdem „in aller Demut hinnehmen“.

Über die Frage, wie fatal Schilys Äußerungen damals waren, kabbelten sich am Freitag auch die Abgeordneten untereinander, für diesen Ausschuss eine Seltenheit. Aus Akten, die der taz vorliegen, ergibt sich, dass es anders als von Schily behauptet durchaus Auswirkungen auf die Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Nagelbombenanschlag gab. So prüfte die Bundesanwaltschaft, ob sie diese übernehmen sollte, lehnte am Ende aber ab – unter explizitem Hinweis auf Schilys Einschätzung.

Erstaunlich ist auch, dass das dem Innenministerium unterstellte Bundesamt für Verfassungsschutz damals mögliche Parallelen zu rassistischen Anschlägen in Großbritannien überprüfte – die Polizei aber die Spur nach rechts nur halbherzig verfolgte. Sie vermutete die Hintergründe lange im kriminellen Ausländermilieu, der Türsteherszene oder bei türkischen oder kurdischen Extremisten.

Wie sich das auswirkte, zeigte ein Brief einer Betroffenen aus der Kölner Keupstraße an den Untersuchungsausschuss, den Petra Pau von der Linken verlas. Darin beklagte sich die Frau über die Folgen der jahrelangen Falschverdächtigungen gegen die Menschen im Viertel. Da wurde sogar der harte Hund Otto Schily weich. „Der Brief ist sehr eindrucksvoll“, sagte er ganz leise. „Bitter.“

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9 Kommentare

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  • K
    keks

    @Stimme der Demokratie

     

    aha. und was war ihrer meinung das motiv für die morde, wenn´s nicht politisch motiviert war. oder halten sie die nsu-version für eine erfindung der medien?

  • DD
    der da ganz hinten

    Dieser Typ ist eine spaltzüngige, bluttrinkende Echse von Teufels Gnaden. Ihm war und ist ALLES zuzutrauen..

    alles ausser Reue und Verantwortung.

  • B
    BAReFOOt

    Und? Wer erinnert sich noch daran, dass die NSU hauptsächlich aus Agenten des deutschen Geheimdienstes bestand? Hm?

     

    Wer will kann sich die Fotos der Mitglieder aus der Zeit anschauen, und mit Fotos der Agenten vergleichen. Gleiche Gesichter. Gleiche Leute.

     

    > Dass die rechtsextreme Terrorzelle NSU jahrelang nicht entdeckt wurde …

     

    „Entdeckt“… Dass ich nicht lache!

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Bei politisch motivierten Morden ist es den Mördern wichtig, dass durch die Pulicity des Mordes ihre Botschaft verbreitet wird. Dies erreichen diese durch Bekennerschreiben. Bei den NSU-Morden gab es diese Bekennerschreiben eben nicht.

    Dass jetzt die Staatsfeinde zur großen Hatz auf die Verfassungsschutz-Behörden blasen, in deren Visier sie oft selber stehen, ist unerträglich.

    Bitte, liebe Verfassungsfeinde, tut nicht so, als sei Euer Anliegen das Wohl des Staates oder seiner Bürger, okay?

  • L
    lowandorder

    "… Die Hauptschuld sah er gleichzeitig aber nicht bei sich, sondern bei den durch das deutsche Föderalwirrwarr falsch aufgestellten Sicherheitsbehörden. Seine Antwort: mehr Macht für den Zentralstaat."

     

    Veleda-Otto " schneidig arrogant"

    Da sachste was.

    Einmal Nadelstreifenanwalt - immer Nadelstreifenanwalt.

    Das mußten gerade bei Scharfmacher-Otto noch alle lernen;

    spät merkten es die Grünen ( klar wg Stallgeruch);

    und es war Mielke-auf-Rädern 2.0 Wolfgang Schäuble als

    IMI immer ein diebisches Vergnügen -"…was? meinen Gesetzesentwurf finden Sie scharf?" - ja soll ich mal den von meinem Vorgänger Herrn Otto Schily rausholen!?"

     

    Aber - Minister/öffentlicher Dienst hat auch abgefärbt

    ( nicht nur beim Mitarbeiter mit Akten beschmeißen - nein!):

    halt so - " kann mich nicht erinnern - nicht voll verantworten usw usw "

     

    Konklusio? - wieder ganz Otto I. Despot von Gnaden:

    ZENTRALSTAAT - das Allheilmittel mit Veleda-Otto on the top.

    Was stört mich mein Schnacken von gestern!

    SD , SS - war einmal! heute - scheißegal!

     

    OTTO FOR PRESIDENT

  • MA
    Monsieur Achie

    Schily ist der peinlichster Person von der Schröder- Regierung. Er ist doch von Beruf Rechtsanwalt. Das sagt eigentlich über ihn alles. Das besser zu verstehen, will ich mit einem Bespiel deutlich machen.

    Guantanamo war nich die Idee von Busch oder von den Sicherheitsleute. Die Idee stammt von den Rechtsberater von Busch. Mit anderem Worten, waren die Rechtsanwälte. Der Schily ist auch so ein Rechtsanwalt. Er würde über die Leichen gehen. Er ist ein skrupelloser A..... und dazu noch feigling.

    Zitat: "Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) übernimmt einen Teil der Verantwortung für das Versagen beim NSU-Terror. Die echten Fehler sieht er aber woanders."

    Die echten Fehler sieht der Schily bei den Opfer. Weil Sie unbedingt türkisch aussehen wollten. Der Schily ist schande für die Menschheit. Ich würde ihm gerne sagen, er soll sich schämen aber es hat kein zweck. Er hat kein Scharmgefühl.

  • D
    Demokrat

    Zitate von Schily 2007

    - Durch die Polizei ist Deutschland eines der sichersten Länder dieser Erde.

    - In Artikel 1 GG steht die Menschenwürde aber kaum einer liest den nächsten Satz. Der Staat hat die Aufgabe und Verantwortung diese Sicherheit sicherzustellen.

    In seinen Jahren wurden viele Kleinstkrimminelle seitens Polizei erschossen, teils in den Rücken.

     

    Schily ist ein großer Antidemokrat, wie der Rest aus der SPD Führung nebst Seeheimer Kreis.

    Vor wievielen Ausschüssen, Kommissionen musste der Aktionär der SAFE ID Solutions AG aussagen?

    Natürlich übernimmt Schily eine Teilverantwortung da absolut nichts, nicht einmal ein Lerneffekt folgen wird.

  • R
    reblek

    "Dass die rechtsextreme Terrorzelle NSU jahrelang nicht entdeckt wurde, sei eine 'schwere Niederlage des Rechtsstaats', die ihn sehr belaste." - Da kommen einem ja glatt die Tränen.

    "Er trage auch einen Teil der politischen Verantwortung." - Eine hohle Phrase, das "Tragen" oder "Übernehmen der politischen Verantwortung". Nicht einmal mehr ein Rücktritt ist heute möglich, weshalb es sich um dummes Geschwätz handelt, mit dem Schily Pluspunkte sammeln will.

  • UC
    Ugur Canbaz

    Schily ist nur proforma bei der uneingeschränkt solidarischen Bush-Kriegstreiber SPD. Wie selbst von CSU seinerzeit mehrfach bestätigt, ließ der alter Scherif keinen Wunsch offen, wenn es galt die Rechte der muslimischen Mitbürger zu kastrieren.

     

    Auch heute ist er nur im Dienste seiner Gene unterwegs und versucht den erklärten Islamhasser den CSU(!)-Innenminister zu stärken, in dem Schily ihn und insbesondere dem Innenministerium unterstelle Schlapphüte von ihrer Verantwortung freizusprechen.

     

    NSU-Morde sind erst nur dann aufgeklärt, wenn Verfassungsschutzbehörde gänzlich verboten wurde. Es ist unerträglich, wie seit Jahren diese Behörde unübersehbar Hort von germanischen Rassisten werden konnte und unter dem Deckmantel der "Demokratie" sie in ihren Hetzschriften verklärt als "VS-Berichte" immerzu gegen Muslime hetzen und sie jahrelang stigmatisieren konnte.

     

    Die Finanzierung der NSU-Mörder ist NUR ein Aspekt dieser Stasi-Behörde, die abgeschafft werden muss!

    Punkt.