NSU-Prozess: „Keine Aufklärung erwartet“
Die Anwälte der Familie des ermordeten Süleyman Tasköprü dämpfen die Erwartungen: Mit Erkenntnissen über die politischen Hintergründe sei nicht zu rechnen.
HAMBURG taz | Wenn am heutigen Montag gegen das letzte hinterbliebene Mitglied des Zwickauer Terror-Trios des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), Beate Zschäpe, der Prozess im Oberlandesgericht in München beginnt, wird der Platz der Hamburgerin Aysen Tasköprü leer bleiben.
Tasköprü ist die Schwester des ermordeten Süleyman Tasköprü und Nebenklägerin im NSU-Prozess. Anwesend im Gerichtssaal werden lediglich die Nebenklageanwälte der Familie sein. „Die Familie ist einfach einem Prozess nicht gewachsen“, sagt die Anwältin Gül Pinar der taz.
Süleyman Tasköprü soll am 27. Juni 2001 im Gemüseladen der Familie in der Bahrenfelder Schützenstraße 27 von Zschäpes Nazi-Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt durch Kopfschüsse hingerichtet worden sein. Der 31-Jährige war der dritte Tote in einer Serie von zehn Morden, die von der Polizei als „Dönermorde“ abgehandelt wurden.
In einer Erklärung empfehlen die vier Anwälte der Familie Tasköprü, Angela Wierig, Gül Pinar, Philipp Götze und Andreas Thiel, „keine zu großen Erwartungen in das Verfahren zu setzen“, was die Aufklärung der politischen Hintergründe angeht. „Es geht in dieser Verhandlung um die persönliche Schuld der Angeklagten – nicht mehr und nicht weniger.“
Ungeeignete Instrumente
Das sei schon viel, wenn man bedenke, dass jahrelang die Familienangehörigen und enge Freunde verdächtigt worden waren, Süleyman Tasköprü ermordet zu haben. „Wer für das Ende des Prozesses umfassende Aufklärung durch die Beweisaufnahme erwartet, ist blauäugig“, warnen die Anwälte. Dazu seien die Instrumentarien eines Strafprozesses nicht geeignet. „Der Strafprozess ist kein Untersuchungssausschuss“, sagen Pinar, Wierig, Thiel und Götze.
In diesem Verfahren gehe es alleine darum, ob Zschäpe eine Tatbeteiligung und den Mitangeklagten eine Unterstützungshandlung für eine terroristische Vereinigung nachgewiesen werden könne. Für eine strafrechtliche Verurteilung reiche aus zu klären, ob es sich bei der NSU um eine terroristische Vereinigung im Sinne des Strafgesetzbuches gehandelt habe, die nach bisherigen Erkenntnissen aus drei Mitgliedern bestanden hat. „Das Gericht ist durch den Aufklärungsgrundsatz nicht gezwungen, sich per se mit möglichen weiteren Mitgliedern des NSU zu befassen“, erläutern die Anwälte.
„Für die Familie Tasköprü ist es wichtig herauszufinden, was geschehen ist, wer dafür die Verantwortung trägt und warum ausgerechnet ihr Angehöriger ermordet wurde“, sagen die Anwälte. Die Eröffnung des Strafverfahrens sei wichtig gewesen, weil nun „schwarz auf weiß“ feststehe, wen die Ermittlungsbehörden für den Tod ihres Angehörigen Süleyman verantwortlich machen.
Die Familie hofft, durch den Prozess Antworten auf dringende Fragen zu bekommen: „Wurde Süleyman von seinen Mördern ausgesucht, so wie die Ermittlungsbehörden glauben, weil sein Laden in der Nähe einer Autobahnauffahrt war oder gab es vielleicht doch einen Helfer in der Schützenstraße?“ fragen die Anwälte. Und „war dieser vielleicht sogar den Ermittlungsbehörden bekannt?“
Fahrlässiger Umgang
Die Anwälte haben neben dem juristischen Mandat auch den Auftrag übernommen, das, was der Prozess nicht aufklären kann, an anderer geeigneter Stelle weiter zu verfolgen. Denn schon im Vorfeld habe sich gezeigt, dass das Oberlandesgericht München „fahrlässig mit dem bedeutsamen Verfahren“ umgehe. Das zeige das große Hickhack um das Presse-Akkreditierungsverfahren, sagt die Anwältin Gül Pinar. „Das Gericht hätte früh erkennen müssen, dass angesichts des internationalen und öffentlichen Interesses für solch ein Verfahren die Anmietung einer Halle angemessen gewesen wäre.“
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