NRW-Grünenchefin über Wahl: "Die Koalitionsfrage ist offen"
Die grüne Landeschefin Daniela Schneckenburger über die "neoliberale Fratze" von Ministerpräsident Rüttgers, die SPD als Gegner und Chancen eines rot-rot-grünen Bündnisses.
taz: Frau Schneckenburger, sind den nordrhein-westfälischen Grünen Posten und Pöstchen wichtiger als Inhalte?
Daniela Schneckenburger: Nein. Warum?
Am Wochenende bestimmt ein Parteitag die Kandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahlen im Mai. Warum wird erst im Februar über Inhalte diskutiert?
Im Februar wollen wir zusammen mit dem Programm eine Wahlaussage treffen. Deshalb ist es richtig, unser Programm erst möglichst kurz vor den Wahlen zu beschließen.
Schon in der Einladung zum Personalparteitag kündigt Ihre Partei an, CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ,die sozialdemokratische Maske von der neoliberalen Fratze reißen' zu wollen. Die Grünen stehen also klar für Rot-Rot-Grün?
Die Koalitionsfrage ist für uns noch nicht entschieden. Die Sozialdemokraten schicken derzeit ihren Bundesvorsitzenden Sigmar Gabriel vor mit der Behauptung, wir wollten ein Bündnis mit der CDU. Das zeigt: Sie bekämpfen die Grünen, statt die Auseinandersetzung mit dem Hauptgegner der SPD aufzunehmen: der Demobilisierung ihrer Anhängerschaft und dem selbsternannten Arbeiterführer und seiner CDU. Die Linke verwechselt Politik mit einem Schönheitswettbewerb um die radikalste Formulierung. Am Ende wird die Frage sein, ob sie bereit ist für reale Politik, oder ob die eiserne Lady Wagenknecht es schafft, sie in den Sektiererturm einzuschließen.
Aber bei wichtigen Themen wie Mindestlohn, Abschaffung von Studiengebühren oder der einen Schule für Alle vertreten Grüne, SPD und Linke doch gemeinsame Inhalte?
Dennoch bekämpfen und blockieren sich SPD und Linke gegenseitig. Gerade die SPD hat längst noch nicht akzeptiert, dass mit der Linken bundesweit eine fünfte politische Kraft entstanden ist, die man nicht mehr wegreden kann.
Stattdessen erklärt Nordrhein-Westfalens SPD-Chefin Hannelore Kraft die Linkspartei immer wieder für ,weder koalitions- noch regierungsfähig'. Können Sie das verstehen?
SPD-Versteherin - das ist nicht meine Aufgabe. Wenn die Sozialdemokraten in NRW eine führende Rolle als Volkspartei beanspruchen wollen, müssten sie auf Kooperation setzen und entschlossen die Regierung Rüttgers angreifen. Die jüngste Umfrage hat doch gezeigt, dass SPD und Grüne aktuell nur fünf Prozentpunkte hinter CDU und FDP liegen. Ich kann nur sagen: Da geht noch was!
Sie plädieren also klar für Rot-Rot-Grün?
Ich stehe erst einmal für starke Grüne. Derzeit weiß niemand, ob SPD und Linke wirklich eines Tages zusammenarbeiten können. Genau deshalb diskutieren wir erst auf unserem Programmparteitag über mögliche Bündnispartner und werden das möglicherweise kurz vor der Wahl noch einmal präzisieren.
Hinter den Kulissen werben führende Landtagsabgeordnete der Grünen aber bereits für ein schwarz-grünes Bündnis mit der CDU. Selbst Jamaika mit der FDP gilt als denkbar.
Da hören Sie mehr als ich. Aber richtig ist: Es gibt Bündnisse mit der CDU vor Ort. Auf kommunaler Ebene haben viele Grüne die Erfahrung gemacht, dass sie viele ihrer Inhalte mit der CDU umsetzen können - und dass die Christdemokraten vertragstreu sind. Aber auf Landesebene trennen uns vor allem Bildungspolitik und Energiepolitik. Und zu Jamaika: Zwischen Grünen und FDP liegen in NRW Welten.
Frau Schneckenburger, noch mal ganz persönlich gefragt: Wer regiert ab Mai 2010 NRW? Schwarz-Grün? Rot-Rot-Grün? Oder doch Jamaika?
Meine Kristallkugel sagt dazu noch nichts.
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