NRW-CDU fürchtet um Regierungsmehrheit: Nachdenken über Jamaika
Die CDU in Nordrhein-Westfalen und Hessen bammelt um die Mehrheit und umwirbt die Grünen. Das Ziel ist die Jamaika-Konstellation: Schwarz-Gelb-Grün.
Nordrhein-Westfalens CDU fürchtet nach dem Einzug der Linken in die Landtage von Hessen und Niedersachsen um ihre Regierungsmehrheit. Obwohl erst 2010 Landtagswahlen im größten Bundesland anstehen, müsse die Partei schon jetzt "ihre Auseinandersetzung mit der Linken intensivieren", schreibt CDU-Generalsekretär Hendrik Wüst in einem internen Strategiepapier, das der taz vorliegt.
"Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Ultralinken um Gysi und Lafontaine mitentscheiden, welche Regierungsmehrheiten gebildet werden", so der Vertraute von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Auch Rüttgers selbst mahnt, die CDU müsse den Kampf mit der Linken aufnehmen, weil ein Teil der Linken-Wähler Protestwähler seien. "Sie zurückzuholen, ist auch unsere Aufgabe."
CDU-General Wüst wirbt deshalb offensiv um die Grünen. Die sollten "aus der babylonischen Gefangenschaft ausbrechen", sich "aus der der Umarmung der SPD befreien", fordert er in dem Strategiepapier. "Die Grünen müssen sich auch politisch bürgerlichen Optionen zuwenden."
Zur gleichen Strategie sieht sich mittlerweile auch Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU) gezwungen. Koch brachte am Donnerstagabend erstmals offen eine schwarz-gelb-grüne Koalition für Hessen ins Gespräch, die sogenannte Jamaika-Koalition. "Wir werden mit den Grünen reden müssen", sagte Koch bei einem Treffen des CDU-Kreisverbands Kelkheim. Die SPD sei so nahe an die Linke herangerückt, dass das Programm der Grünen der CDU näher sei als das der SPD. Zuvor hatte bereits Hessens Innenminister Volker Bouffier von der Möglichkeit einer Jamaika-Koalition gesprochen. Zusammen mit FDP und Grünen könnte Kochs CDU, die bei der Landtagswahl Ende Januar die absolute Mehrheit verloren hatte, weiterregieren.
Gleichzeitig unterstrich Koch seinen Anspruch, trotz massiver Stimmenverluste weiter Ministerpräsident bleiben zu wollen. "Wir haben immer noch mehr Stimmen als die SPD."
Hessens Grüne lehnen eine Koalition mit den Christdemokraten jedoch genauso ab wie die Grünen in NRW. "Jamaika ist für uns kein Thema", sagt Nordrhein-Westfalens Grünen-Chefin Daniela Schneckenburger. "Bei der CDU regiert die nackte Angst", glaubt die Parteilinke.
Eine Umfrage von Anfang Februar bescheinigte der in Düsseldorf regierenden CDU-FDP-Koalition erstmals den drohenden Machtverlust. Danach würde die Linke mit 6 Prozent in den Landtag einziehen. Die CDU käme auf 39, die SPD auf 35 Prozent. Die FDP liegt bei 9, die Grünen bei 8 Prozent.
Schwarz-grünen Gedankenspielen, die auch bei den NRW-Grünen in der Vergangenheit immer wieder durchgerechnet wurden, erteilt die Partei deshalb derzeit eine Absage. "Das ist absurd", so Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann zur taz. Inhaltlich sehe sie weder in der Sozial-, Bildungs- oder Energiepolitik "irgendwelche Schnittmengen". Das Strategiepapier von CDU-General Wüst bleibe deshalb "wüstes Geträume".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!