NPD will wieder in Bezirksparlamente: Zebrastreifen in Braun
Vor fünf Jahren zogen 11 Rechtsextreme in die Bezirksparlamente ein. Die Bilanz ihrer Arbeit am Ende der Wahlperiode ist desaströs - trotzdem könnten sie es wieder schaffen.
Sechs Stunden dauert die letzte Bezirksverordnetenversammlung (BVV) der Legislaturperiode in Treptow-Köpenick. Die Tagesordnung ist lang, es gibt noch viele Themen zu diskutieren. Ein letztes Mal versucht sich auch die rechtsextreme NPD durch provokante Wortmeldungen in Szene zu setzen. Ihr Fraktionschef Udo Voigt fordert eine freiwillige Bürgerwehr anlässlich der grassierenden Autobrände. Sein Kollege Fritz Liebenow behauptet, ein Bau des Großflughafens BER am Standort Sperenberg sei für die anderen Parteien nicht möglich gewesen, weil dieser sonst "Wernher-von-Braun-Flughafen" heißen müsste.
Die Beiträge der NPDler sind realitätsfern - und im Gegensatz zu den meisten anderen Verordneten lesen sie ihre Anträge vom Blatt ab. Bricht Liebenow doch einmal in freie Rede aus, sind es polemische Zwischenrufe und Beleidigungen. Symptomatisch für das Verhalten der Partei in den vergangenen fünf Jahren, urteilen die demokratischen Mitglieder der BVV.
Insgesamt elf NPD-Verordnete zogen 2006 in die Bezirksparlamente von Treptow-Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Neukölln und Lichtenberg ein. Seitdem zeigt die Kommunalpolitik der Rechtsextremen aber erhebliche Verschleißerscheinungen. Zum Ende der Legislaturperiode ist nur noch die Fraktion in Treptow-Köpenick um den Bundesvorsitzenden Voigt erhalten geblieben, alle anderen brachen nach Streitigkeiten auseinander.
Dabei hatten sie ursprünglich eine klare Strategie verfolgt: Einerseits suchten sie durch Forderungen wie die Einführung eines "Ausländerrückführungsbeauftragten" die gezielte Provokation. Andererseits zielten viele NPD-Anträge auf konkrete Themen wie Straßenbeleuchtungen oder Zebrastreifen - eine Mischung aus Ideologie und Alltag also. Genau das falle ihr aber aufgrund fehlender Kontinuität in ihren Aktivitäten schwer, urteilt Yves Müller, Mitarbeiter des Vereins für Demokratische Kultur: "Kompetenz konnte die NPD bei keinem ihrer angesprochenen Themen beweisen."
Die Rechtsextremen suchten stets die öffentlichkeitswirksame Darstellung ihrer Fundamentalopposition statt inhaltlicher Auseinandersetzung, sagt Matthias Schmidt (SPD). Er saß mit Udo Voigt in den vergangenen fünf Jahren im Sportausschuss der BVV Treptow-Köpenick. "In der gesamten Legislaturperiode hat sich Voigt im Ausschuss ein einziges Mal zu Wort gemeldet." Stattdessen, so Schmidt, suchten die NPDler die vermeintliche inhaltliche Auseinandersetzung ausschließlich in öffentlichen Veranstaltungen wie den BVV-Plena.
Auch im Falle der Debatten um die geplanten Flugrouten. Hier versuchte die NPD, sich Protestveranstaltungen von BürgerInnen - wie der für heute geplanten Menschenkette um den Müggelsee - anzuschließen. "Das wurde bisher stets verhindert", sagt Hans Erxleben von der Treptow-Köpenicker Linksfraktion. Zusätzlich stellte die BVV-Fraktion der Rechten einen Antrag, der sich generell gegen die Nutzung des bezirklichen Luftraums durch den Großflughafen richtete. Das sei zwar lächerlich, die NPD versuche jedoch eine Ablehnung solcher Anträge öffentlich auszuschlachten.
Funktioniert habe das nicht, sind sich Schmidt und Erxleben einig. Weder innerhalb des Parlamentes noch in den Medien habe die Partei die gewünschte Resonanz gefunden. Deshalb werde die NPD auch nicht über ihr Ergebnis von 2006 hinauskommen, so die beiden Bezirksverordneten. Trotzdem sei eine Wiederwahl möglich: "Die Erfahrung aus anderen Bundesländern zeigt, dass es den WählerInnen der NPD egal ist, ob diese gute oder schlechte Kommunalpolitik betreibt", so Müller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren