NPD in Bezirksparlamenten isoliert: Antrag auf mehr öffentliche Klos
Seit 2006 sitzt die NPD in vier Berliner Bezirksparlamenten. Nach anfänglicher Verunsicherung reagieren die demokratischen Parteien routiniert auf deren ständige Provokationen.
BERLIN taz Udo Voigt blitzt in den gut gefüllten Rathaussaal. "Wenn wir eine nationale Regierung stellen", ruft der NPD-Chef, "werden wir den Volksverrätern die Chance geben, den angerichteten Schaden durch eigene Arbeit wieder gutzumachen!" Die rund 80 Besucher der NPD-Fraktionsveranstaltung verstehen die Andeutung genau, Voigt erntet begeisterten Applaus. Eine Szene aus einem sächsischen Provinzkaff? Keineswegs. Eine Szene mitten in Berlin, so geschehen am 17. März im Rathaus Lichtenberg.
Seit den Wahlen vom 17. September 2006 sitzt die NPD in vier Berliner Kommunalparlamenten, den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV), wie sie auf Beamtendeutsch heißen. Bei BVV-Wahlen gilt die Drei-Prozent-Hürde, die die Rechtsextremen teilweise deutlich übersprangen. Über 25.000 Berliner gaben der NPD ihre Stimme. In Neukölln erreichte sie zwei Mandate, je drei in Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick. Drei Verordnete reichen, um eine Fraktion zu bilden und so Anspruch auf Vorzüge wie ein Büro oder Personalkostenerstattung zu erlangen.
In Berlin fährt die NPD eine Doppelstrategie mit klarer Rollenverteilung. Voigt, Fraktionschef in Treptow-Köpenick, gibt sich als Anwalt der "kleinen Leute", verlangt mehr öffentliche Toiletten oder moniert kaputte Verteilerkästen. Eckart Bräuniger und Jörg Hähnel, gestandene Kader mit besten Kontakten zur gewaltbereiten Neonazi-Szene, sorgen dagegen für Provokationen. So brachte Hähnel den Antrag ein, den Lichtenberger Anton-Saefkow-Platz in Waldemar-Pabst-Platz umzubenennen. Saefkow war ein antifaschistischer Widerstandskämpfer, Pabst verantwortlich für die Ermordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts.
Die anderen Parteien reagierten anfangs verunsichert. Mittlerweile konterten sie derartige ideologische Ausfälle jedoch "sicher und gut", urteilt Yves Müller vom Verein für Demokratische Kultur. So hat es sich in den BVVen eingebürgert, nicht jede Fraktion einzeln, sondern nur einen Abgeordneten für alle demokratischen Parteien auf Anträge der NPD antworten zu lassen. Daraufhin lehnen sie den Antrag geschlossen ab.
Allerdings, gibt Müller zu bedenken, spezialisierten sich nur Einzelne darauf, der NPD entgegenzutreten; als Querschnittsaufgabe werde das nicht begriffen. "Außerdem haperts manchmal noch bei der Auseinandersetzung mit Themen, die nicht dem klassischen Rechtsextremismus zuzuordnen sind." Wenn etwa über soziale Probleme gesprochen werde, seien die Demokraten im Umgang mit den Rechtsextremen weniger firm. Es herrscht allerdings der Konsens, mit der NPD auch in Sachfragen nicht zusammenzuarbeiten. Der Eindruck, sie sei eine "ganz normale" Partei, soll ihr eindeutig verwehrt bleiben.
Diese Ablehnung führt offenbar immerhin dazu, dass sich die NPD-Abgeordneten aus der Arbeit in den Ausschüssen zurückziehen. Was Rhetorik und parlamentarisches Gebaren angeht, stellt Müller bei einigen NPDlern durchaus einen Kompetenzgewinn fest, "wenn auch auf niedrigem Niveau". Und Timo Reinfrank von der Amadeu-Antonio-Stiftung kritisiert, dass Kommunalpolitiker der zivilgesellschaftlichen Bekämpfung der NPD seit deren Einzug in die BVVen zu wenig Aufmerksamkeit zollten: "Seither fokussiert sich die Auseinandersetzung zu stark darauf, der NPD in den Bezirksparlamenten entgegenzutreten."
Mitunter hilft die Partei bei ihrer Demontage allerdings auch selber kräftig mit. Wegen interner Querelen ist der Bezirksverordnete Wolfgang-Dieter Chieduch unlängst aus der NPD ausgetreten und hat sie damit in der BVV Marzahn-Hellersdorf um den Fraktionsstatus gebracht.
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