NPD demontiert sich selbst: "Volksfront" bröckelt
"Volksfront" hat die NPD ihr Bündnis mit Kameradschaften im Jahr 2004 genannt. Dieses Bündnis hat nun ein wichtiger Kameradschaftsführer aufgekündigt.
Die rechtsextreme NPD beginnt das Wahljahr 2009 damit, sich selbst zu demontieren. Der NPD-Aktivist und Freie Kameradschaftsführer Thomas Wulff hat ein Ende der sogenannten "Volksfront" angekündigt, wie das 2004 zwischen NPD und Neonazis außerhalb der Partei eingegangene Bündnis genannt wird. "Diese Parteiführung ist zu einer Zusammenarbeit auf Bundesebene nicht mehr willens", erklärte Wulff. Damit scheint die NPD nach mehreren Finanzskandalen und einem Gezerre um den Parteivorsitz völlig zerstritten.
Die Ankündigung des Neonazis Wulff ist ein Signal für die gesamte rechtsextreme Szene. Denn der Kameradschaftsführer aus dem Norden ist nicht bloß irgendein Kameradschaftsführer. Gut vier Jahre ist es her, als Wulff mit den ebenso einflussreichen Kameradschaftsführern Thorsten Heise und Ralf Tegethoff seinen Eintritt in die NPD öffentlich machte. Vor dem Einzug der NPD in den sächsischen Landtag hatten sie sich der Partei angeschlossen. Mit führenden Parteikadern wie dem NPD-Bundesvize und sächsischen Fraktionschef Holger Apfel wären zuvor "Vorbehalte und Differenzen" ausgeräumt worden. Galt die NPD doch dem Netzwerk der Kameradschaften, die sich auch Freie Nationalisten nennen, in der Programmatik zu moderat und in der Strategie zu parlamentaristisch. "Es war der Wille zu spüren", verkündeten im September 2004 Wulff, Heise und Tegethoff, dass "sich die Partei in das Gesamtgefüge einer Bewegung des Widerstandes" einfügen wolle. Eine Zusammenarbeit sei möglich, war ihre Botschaft an die Kameradschaften, die sie seit 1995 maßgeblich mit aufbauten.
Die NPD war froh über das Bündnis. Auf mehreren Bundesparteitagen versicherte Parteichef Udo Voigt: "Es zählt, was eint." Die NPD weiß, dass sie ohne die Aktivisten aus dem militanten Netzwerk kaum Wahlkämpfe bestreiten und Jugendliche ansprechen kann. Ohne die Kameradschaften hätte die Partei sich nicht zum "Gravitationsfeld" der Szene entwickeln können, betont Rechtsextremismusexperte Christian Dornbusch.
Vor dem NPD-Bundesparteitag 2008 wurden aber aus der Partei Stimmen gegen die Zusammenarbeit immer lauter. In der NPD sorgen sich einige wie der Bundesvize Sascha Roßmüller um das bemüht bürgerliche Image der Partei. Sie befürchten, die Radikalität der Kameradschaften könne die Verbürgerlichungsstrategie der NPD gefährden. Der Wähler wolle keine "Glatzenpartei" hieß es. Weitere, noch deutlichere Kritik an den Kameradschaften folgte. So missfiel der Parteiführung, dass Wulff bei der Beerdigung des Altnazis Friedhelm Busse im Juli in Passau eine Reichskriegsfahne mit Hakenkreuz auf den Sarg legte.
Wulffs Abrechnung mit der NPD-Spitze war ein Bundestreffen von Kadern der Kameradschaften vorausgegangen. Die "Anbiederung einiger überbezahlter Parlamentsvertreter" habe "unerträgliche Formen" angenommen, erklärt Wulff. Vor allem beschwert er sich über Peter Marx, Generalsekretär der Partei, den er der Arbeit für den Geheimdienst verdächtigt. Doch auch Parteichef Voigt greift Wulff an. Den Finanzskandal um den Ex-Bundesschatzmeister Erwin Kemna habe Voigt mitzuverantworten. Kemna hatte mehr als 600.000 Euro Parteigeld veruntreut und wurde im September zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.
Für Aufsehen hat unterdessen ein Hackerangriff gegen die NPD gesorgt. Wie der Onlinedienst Heise berichtete, haben sich Hacker beim Jahreskongress des Chaos Computer Clubs vor Silvester Zugang zu NPD-Servern verschafft und dabei interne Dokumente einsehen können. Auf die Seite des NPD-Landesverbands Schleswig-Holsteins haben die Hacker vorübergehend einen Affen mit Hakenkreuzbinde platziert.
Das Regensburger Verwaltungsgericht hat unterdessen eine NPD-Demonstration erlaubt, die für diesen Samstag in Passau geplant ist. Neonazis aus dem Umfeld der NPD wollen vor der Polizeidirektion dagegen protestieren, dass wegen des Attentats auf Polizeichef Alois Mannichl gegen Rechtsextremisten ermittelt wird. Die Stadt Passau hatte die Demo verboten. Über eine Eilbeschwerde lag bis Redaktionsschluss noch keine Entscheidung vor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch