NPD auf Alexanderplatz: Geheim gehalten und versperrt
NPD verlegt Kundgebung überraschend auf den Alexanderplatz. Um Gegendemonstranten fernzuhalten, teilt die Polizei die Verlegung nicht mit - und macht den Platz kurzerhand zur Geisterstadt.
Hätte die NPD ein eigenes Flugzeug, es hätte direkt auf dem Alexanderplatz landen können, um ihre Parteifunktionäre abzuliefern. Ein solches soll von Montag an Wahlwerbung der Nazi-Partei über Berlin fliegen. Der Alex sah jedoch schon am Sonntag aus wie eine leer gefegte Landepiste: Weiträumig hatte die Polizei den Platz schon frühmorgens wegen einer Wahlkampfkundgebung der NPD abgesperrt. Der Tramverkehr auf dem Platz war eingestellt, die Linien waren umgeleitet worden. Die U-Bahn-Zugänge wurden gesperrt. So blieben die 120 Nazis, die sich um die Weltzeituhr scharten, weitestgehend unbehelligt vom Protest der rund 500 GegendemonstrantInnen.
"Dieses Verhalten der Berliner Polizei ist ein Rückschritt sondergleichen", sagte Bianca Klose von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. Protest gegen die NPD müsse in Hör- und Sichtweite möglich sein. Zudem kritisierte Klose die Informationspolitik der Polizei. Über die Versammlung der NPD war zunächst nur deren Treffpunkt am S-Bahnhof Schöneweide bekannt. Erst in der Nacht zu Sonntag fanden Nazi-Gegner heraus, dass die Partei ihre Kundgebung auf dem Alexanderplatz abhalten wollte.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte im Mai zugesagt, rechte Aufmärsche einen Tag vorher bekannt zu geben, nachdem Rechte bei einer geheim gehaltenen Veranstaltung in Kreuzberg Gegendemonstranten attackiert hatten. Der Anmelder der Gegenveranstaltung, Dirk Stegemann von der Initaitive Rechtspopulismus stoppen, forderte von der Politik, eine gesetzliche Handhabe zu schaffen, die dazu zwinge, rechte Veranstaltungen frühzeitig zu veröffentlichen. Ein Sprecher der Polizei verwies auf Gerichtsurteile, die es verbieten würden, die Orte genehmigter Versammlungen frühzeitig gegen den Willen des Veranstalters zu veröffentlichen. "Wir sind froh über den friedlichen Verlauf aller Veranstaltungen heute", sagte der Sprecher weiter. 1.500 Beamte waren im Einsatz, die Berliner Polizei hatte Verstärkung aus Baden-Württemberg und Hamburg erhalten, auch wegen einer für den Abend geplanten Antifa-Demonstration gegen den neuen Nazi-Treffpunkt in der Lichtenberger Lückstraße.
Die Wahlkampfkundgebung der Nazis am Nachmittag glich indessen einem Rechtsrock-Konzert. Während der Sänger der in der Szene beliebten Band Sleipnir in Endlosschleife Lieder über Stalingrad und den "nationalen Widerstand" sang, verdrückten sich mehr und mehr Rechte auf die steinernen Sitzbänke rechts der Bühne. Etwas lauter wurde der Applaus bei der Rede des Berliner Spitzenkandidaten Udo Voigt, der das Wahlkampf-Flugzeug ankündigte, den Einzug ins Abgeordnetenhaus prophezeite und Wahlhelfern aus Tschechien sowie Mecklenburg-Vorpommern dankte.
Für den von dort angereisten Abgeordneten Udo Pastörs gab es Sprechchöre. Pastörs, dem gerade der Wiedereinzug in den Schweriner Landtag gelungen ist, wetterte gegen "grüne Landesverräter" und "Hinterwäldler von der Piratenpartei". In der "Reichshauptstadt Berlin" sei die Zeit reif für eine "nationale Regierung". Pastörs und Voigt hielten während der Veranstaltung merklich Distanz zueinander. Dem Berliner Spitzenkandidaten Voigt droht beim anstehenden NPD-Parteitag der von Pastörs forcierte Sturz als Bundesvorsitzender.
Pastörs Glanz als im Nordosten erfolgreicher Wahlkämpfer will sich Voigt derweil nicht entgehen lassen: Als der Schweriner Fraktionsvorsitzende von der Bühne kommt, gesellt sich Voigt schnell für ein gemeinsames Foto zu ihm.
Leser*innenkommentare
Bernd Kudanek
Gast
102 Fotoimpressionen vom NPD-Gruselspektakel sind unter http://www.carookee.com/forum/freies-politikforum/1/28270121#28270121 eingestellt
agent provocateur
Gast
mal ne anregung:
kann man da einfach einen ganzen platz sperren? dann sollte es für die dort ansässigen geschäftsbetreiber wohl nur recht und billig sein, npd und brd auf schadensersatz bzw. erstattung der verdienstausfälle zu verklagen.
aurorua
Gast
...zum Glück steht da bei manchen Polizei drauf, irgendwie rein optisch kaum zu unterscheiden... ;-)
horst
Gast
NPD - das ist doch Freakshow pur. Deppentheater.
Der einsame Nahverkehr
Gast
Ich verstehe nicht, warum sich beim Thema NPD-Berlin mittlerweile nicht tüchtigst "Empört" wird. Da muss man ja noch nicht mal mehr suchen, Da haben sich mittlerweile eigentlich schon triftigste Rücktrittsgründe angehäuft. Ich muss jedoch zugeben, ich weiß nicht für wen. Ist es denn tatsächlich egal, wo Parteien Ihre Wahlkampfveranstaltungen machen? Kann man von hier auf jetzt ein Konzert samt Reden auf einen der meist freuquentierten Plätze der Republik verlegen? Und dann den Sänger von Sleipnir auf treten lassen? Das ist einfach nur armseelig.
Sissy Fuß
Gast
@Tim: Ist doch nichts Neues. Gibt es auch "in ernsthaft": Die sächsische NPD ließ Werbematerial in Polen drucken, weil das billiger kam. Für die nationale Revolution muß man eben Opfer bringen. :-)
alcibiades
Gast
"Hinterwäldler"? Das brüllen ja die Richtigen.
Tim
Gast
"Wahlhelfer aus Tschechien"?
Morgen auf der Titelseite der Jungen Freiheit:
NPD nimmt Deutschen die Arbeitsplätze weg