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NPD-LeaksBeten für Adolf Hitler

Hitler, Himmler, Heydrich: In den mehr als 60.000 internen E-Mails der NPD werden der Nationalsozialismus und dessen Verbrecher zum Teil unverhohlen verherrlicht.

In der NPD bezieht man sich gerne einmal positiv auf den Nationalsozialismus. Bild: imago/Müller-Stauffenberg

"Weihnachten. Julfeier. Eine Zeitreise in das dritte Reich", heißt es am Anfang des Videos. Dann sieht man Bilder von Gebäck in Hakenkreuzform, Weihnachtskugeln mit NS-Symbolen - und ein Foto vom Führer. Ein "vorweihnachtliches Gebet aus der Schule" wird eingeblendet: "Hände falten, Köpfchen senken und an Adolf Hitler denken."

Das Video findet sich in den mehr als 60.000 internen E-Mails der rechtsextremen NPD, die der taz zugespielt wurden. Es ist nur ein Beispiel, das zeigt, wie unverhohlen in der "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" mitunter der Nationalsozialismus verherrlicht wird.

Angehängt ist das Nazivideo einem E-Mail-Verkehr zwischen Alexander Neidlein, NPD-Landesgeschäftsführer in Baden-Württemberg, und dessen Freundin. In einer späteren Mail findet sich auch ein Screenshot aus dem Video: ein Brief von SS-Chef Heinrich Himmler mit "herzlichen Wünschen für das Julfest und das Jahr 1944. Heil Hitler!" Neidlein äußerte sich auf taz-Anfrage nicht zu den E-Mails.

Wer auch immer das Video ursprünglich erstellt hat: Der Macher weiß, dass sein Werk strafbar ist. "Ausdrücklich" distanziert er sich im Intro von den Paragrafen des Strafgesetzbuches, die die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und die NS-Verherrlichung unter Strafe stellen.

Auch in anderen NPD-Landesverbänden bezieht man sich in internen Mails gerne mal positiv auf den Nationalsozialismus. Das kann verklausuliert sein, etwa durch die Verwendung der Abkürzung "88", was in der Szene für "Heil Hitler" steht. Manchmal werden die NS-Vorbilder aber auch beim Namen genannt.

Marcel Guse, NPD-Chef in Potsdam, schwärmt in einer Einladung zu einem Vortrag über den "Kampf gegen den Bolschewismus" von "Persönlichkeiten" wie Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamtes und einer der größten NS-Verbrecher, oder Otto Ernst Remer ("Eichenlaub zum Ritterkreuz von Adolf Hitler persönlich in der Wolfsschanze verliehen"). Auf taz-Anfrage schrieb Guse: "Sie und ihr rotes Käseblatt sind eine Schande für die vielen Generationen unseres Volkes, die vor uns kämpften und starben, damit Deutschland leben kann."

In Sachsen-Anhalt, wo am 20. März gewählt wird, geht für die NPD derzeit Pressesprecher Michael Grunzel vor die Kameras, um den angeblich "groß angelegten Datendiebstahl" zu geißeln. In den internen Mails, deren "generelle Authentizität" die NPD "nicht 100-prozentig ausschließen" könne, wie Grunzel im MDR sagte, finden sich auch Mails von ihm - und die haben es in sich.

"Das ist das Beste", schreibt Grunzel demnach in einer E-Mail über eine NPD-Zeitung, "jedenfalls seit Joseph Goebbels." Unterzeichnet: "Mit kameradschaftlichen Grüßen und einem donnerndem (sic!) Heil." Später besprechen Grunzel und der NPD-Landeschef laut einer E-Mail von Ende Januar die Organisation eines Lastkraftwagens.

Warum er sich nicht einfach um die Pressemitteilungen kümmere, will der Landeschef wissen. Darauf Grunzel laut der Mail: "Weil ein großes Vorbild von mir, mit dem ich persönlich leider nur wenig Ähnlichkeiten habe - allerdings kann ich auch ganz gut fechten -, 1939 erst mal in eine Messerschmidt (sic!) gestiegen ist und sich an der Ungezieferjagd beteiligt hat. Er wollte nicht nur ,Schreibtischtäter' sein."

Wer damit gemeint sein soll, steht nicht in der E-Mail. Es gibt aber einen, auf den die Beschreibung passen würde: Heydrich. Er war Fechter und stieg nach Kriegsbeginn auch selbst ins Flugzeug, um Kampfeinsätze zu fliegen. Später leitete er die Wannseekonferenz zur "Endlösung der Judenfrage".

NPD-Sprecher Grunzel versucht sich nun aus der Affäre zu ziehen, indem er behauptet: "Ich habe diese Passagen nicht geschrieben." Er wolle zwar die "grundsätzliche Authentizität dieser E-Mails" nicht infrage stellen, teilte er der taz mit. Er gehe aber davon aus, dass diese "zusätzlich manipuliert worden" seien, auch "um möglicherweise strafbare Inhalte zu installieren".

Kurzum: Die NPD räumt ein, dass die Mails aus ihrem Inneren generell echt sind - doch wenn es für einzelne Funktionäre so richtig haarig werden könnte, sollen sie plötzlich gefälscht sein.

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14 Kommentare

 / 
  • GM
    Gosig Mus

    Klar kann man sich denken, dass die NPD-Funktionäre die alten Nazis geil finden. Es ist aber ein RIESEN Unterschied, sich was denken zu können und es -- mehr oder weniger -- schwarz auf weiß zu haben. Die gehen mit ihrer nationalsozialistischen Gesinnung ja nicht hausieren, das machen sie mit Sprüchen wie "Gute Jobs für alle Deutschen." Dass sie die Architekten von Völkermord toll finden, behalten sie lieber für sich -- warum sonst würde der eine Typ die Autorenschaft leugnen. Und viele Leute glauben denen das auch. Darum ist es wichtig, das öffentlich zu machen -- trotz des Eingriffs in die Privatsphäre.

     

    Die taz macht das im übrigen eh sehr sauber und (über-) vorsichtig: Kein kompletter Leak, keine intimen Details; an den Pranger gestellt wird im Wesentlichen nur die rechtsextreme Politprominenz (so prominent wie man als Neonazi halt wird).

  • P
    P.Haller

    Oh, was sind denn hier wieder für Schlaumeier unterwegs ??

    Nur weil ihr wisst, wer oder was die NPD ist und was sie so treiben, heisst das noch lange nicht, dass es nicht erwähnenswert ist.

    Ich weiss auch, was das für Knallköppe sind, aber wie es im Inneren dieser Vögel zugeht, das ist mir noch nicht so geläufig. Also bin ich für ein paar Infos doch sehr dankbar, denn in BILD kann man das nun mal nicht nachlesen.

    Kann es sein, dass euch diese Veröffentlichungen peinlich sind ? Darauf muss dann aber leider gesch...

    werden !!

  • U
    Uli

    Beten für Verstorbene hat schon auch etwas Christliches, vor Allem wenn sie es so nötig haben, wie in diesem Fall. Ob das Gebet dann im beabsichtigten Sinn auf fruchtbaren Boden fällt, ist eine andere Frage.

     

    Eine, wie ich finde, ziemlich gelungene, lesenswerte und neue Magisterarbeit über Hitler Vordenker, also die Quellen seiner Weltanschauung, findet sich übrigens hier:

     

    http://othes.univie.ac.at/10069/1/2010-03-18_0201461.pdf

  • HS
    Hans Stoffel

    Immer wieder wird von konservativer Seite die Existenz nationalsozialistischen Gedankengut in der gegenwärtigen Gesellschaft klein geredet, verharmlost oder sogar ganz in Frage gestellt - man beachte nur die lächerliche Gleichsetzung mit den gelegentlichen Sachbeschädigungen im Umfeld linker Proteste. Und das in einer Zeit, in der nationalsozialistische Argumentationsmuster - umgemünzt auf eine andere religiöse Minderheit - wieder gesellschaftsfähig geworden sind.

     

    Deshalb halte ich es für wichtig und richtig, das diese Emails veröffentlicht werden - nicht für mich und andere taz-Leser, die über deren Inhalt nicht überrascht sind, sondern für den Rest der deutschen Gesellschaft, insbesondere jene, die den Nationalsozialismus für ein rein historisches Thema halten.

     

    Es grüßt Euch: Stoffel

  • H
    holla

    ohne den parteistatus wären die verantwortlichen gerichtlch zur verantwortung gezogen. schließlich sind genug straftatbestände erfülllt. mit parteistatus kann ein haufen von neonazis stuermittel und vergünstigungen der gemeinschaft unverhohlen nutzen, ohne diese im sinne der demokratie zu verwenden. die kpd ist für weniger verboten worden, aber da waren es ja auch der böse kommunismus, in diesem fall sind es ja aufrechte demokraten mit einer lediglich extremen meinung.... und in der zwischenzeit reicht die npd die mittel nach unten durch, um damit ihre nicht bürgerlich verkleideten schlägertrupps und frustrierten hitlerwelter zum hass und gewalt gegen homosexuelle, muslime, juden, afrikaner und linke und die demokratie aufzurufen.

     

    wie schön sich doch alles drehen und wenden lässt, bis man genau das hat, was man politisch gerade braucht.

  • JL
    Julian Leitermann

    Das Äüßern von Vermutungen und Behauptungen ohne konkrete Beweise oder gar Anhaltspunkte zu haben kann leicht zu Verleumdung und übler Nachrede führen. Insofern ist es gut, wenn die taz hier die internen E-Mails der NPD veröffentlicht oder über diese berichtet. Dadurch wird der wahre Charakter dieser Partei offenbar.

  • OP
    Otto Pardey

    Das machen ohnehin stillschweigend 76% der Deutschen

    einer Ideologie nachhängen welche im dritten Reich

    und der EX-DDR vielen Menschen u.a.das Leben

    gekostet hat.

    Das Deutschland der Wolf im Schafspelz ist und

    genauso viel Gemeinsamkeiten zur Demokratie-und

    Rechtsstaatlichkeit wie z.B.China und Rußland.

  • L
    Lupustar

    Wie bitte? Mitglieder der NPD feiern den Nationalsozialismus? Sollten sich diese unglaublichen Anschuldigungen als wahr erweisen, bin ich wirklich entsetzt! Bleibt unbedingt dran an dem Thema!

  • S
    Schulz

    Beten fuer verstorbene... Verbrecher ist der groesste Bloedsinn... Daemonen einladen!?

     

    Ausserdem kann es auch eine Irrefuehrung

    von Fahndungsorganen sein...

    fragt sich aber, ob mit allen Mitteln

    alles ... getan werden darf...

    bzw wann Widerstaend eintritt

  • DB
    Der Baumann

    Auch wenn es offensichtlich ist dass die NPD dem NS nahe steht ,

    muss ich mich doch wundern dass es immer noch wenig bekannt zu sein scheint ,

    dass E-mails ohne qualifizierte Signatur jederzeit verändert werden können.

    Eine Feststellung der Authentizität von gewöhnlichen E-mails ist also praktisch

    nicht möglich.Somit relativiert sich eine solche Meldung ohne weitere Informationen automatisch.

  • B
    Boateng

    Oh bitte, Herr Schmidt!

     

    Daß Hitler und Konsorten bei der NPD verherrlicht bis angehimmelt werden, ist ungefähr so bekannt, offensichtlich und vorhersehbar, wie es absehbar ist, daß es sich beim Inhalt eines Fasses auf der Oktoberwiesen um Bier handeln wird. Nun, natürlich ist das alles abscheulich - aber jeder konnte es sich schon denken, bevor die interne Korrespondenz der NPD an die Öffentlichkeit kam. Der Informationsgehalt bzw. Erkenntniszugewinn Ihres Artikels kommt der Bestätigung einer These gleich, die schon vor ihrer eigentlichen Überprüfung so zwingend plausibel war, daß sie derselben im Grunde niemals bedurfte. Ach, bei der NPD werden Himmler und Hitler verehrt? Sagen Sie bloss! - Ja, was haben Sie denn gedacht? Daß da Bildchen von Maria Theresa, Willy Brandt oder Angie Merkel an der Wand hängen?

     

    Was Sie hier betreiben, ist Aktionismus - gutgemeinter, in die richtige Richtung weisender und in seinen informationellen Grundlagen hieb- und stichfester Aktionismus - aber eben doch Aktionismus; die Bestätigung des Offensichtlichen. Berichten Sie doch etwas Neues.

  • P
    peter

    Das nenne ich mal investigativen Journalismus!

    NPD-Mitglieder verherrlichen den Nationalsozialismus! Wer hätte das gedacht!?

     

    Danke Captain Obvious! :)

  • VV
    vincent vega

    ja wer hätte das geadacht, dass in der npd unverhohlen für nazi-grössen und kriegsverbrecher geschwärmt wird?

    liebe taz, lieber wolf schmidt, wovon oder von wem wollen diese leute denn sonst schwärmen? das ist erstens keine neue und zweitens keine überraschende mitteilung. ewiggestrige gibt es immer - leider - was habt ihr denn von denen erwartet? dafür sind die bekannt und nennen sich so, wie sie sich nennen.

    manchmal lässt es mich an der wahrnehmung und dem verständnis von autoren hier zweifeln, sorry.

  • J
    Jan

    Ich bin weder rechts noch ansatzweise ähnlich ausgerichtet - aber ich finde trotzdem, dass Ihr mit der Veröffentlichung dieser Mails definitiv zu weit geht.

     

    Selbst in Bezug auf die NPD sollte man sich an einen gewissen Kodex halten. Sowohl vom journalistischen, als auch vom moralischen Standpunkt aus betrachtet, ist das Veröffentlichen von privater Kommunikation GENERELL ein no-go.

     

    Zumal diese Mails nun wirklich (bisher) nichts beinhalten, was verblüffend, spektakulär oder von besonderem öffentlichen Interesse ist (wie ich finde).

     

    Ich finde Eure bisherige Art der Berichterstattung über diesen "Leak" ziemlich schwach. Sie wirft - selbst aus einem "linken" Sichtwinkel - kein gutes Licht auf die TAZ.

     

    Just my two cents.