NPD-Direktkandidat Hasselbach: Für Zweifel ist es zu spät
Mit 13 ruft Philipp Hasselbach aus Neugier bei der NPD an, mit 21 ist er Direktkandiat in München-Land. Von seiner "nationalen Gesinnung" spricht er, wie andere über "Umweltbewusstsein".
Nur der Schnauzbart fehlt. Die Haare knapp über den Ohren kurz geschoren, der Seitenscheitel wie mit dem Lineal gezogen, das Hemd in der Hose. Der Gang aufrecht, die Gesten der rechten Hand sitzen, während die linke immer den richtigen Abstand zwischen Mikrofon und Mund wahrt.
Anfangs konnte er fünf Minuten lang frei sprechen, mittlerweile sind es 45 Minuten, ohne auch nur einmal auf das Blatt zu blicken, alles stimmt in Philipp Hasselbachs Welt: Wer ist schuld an der Krise? Die Bankenbonzen, die Profitgier, der Kapitalismus, die Globalisierung. Warum sterben deutsche Soldaten am Hindukusch? Weil die Bundeswehr Handlanger fremder Mächte ist, um Kriege für Öl zu führen. Warum gibt es in Wirklichkeit nicht drei, sondern sechs Millionen Arbeitslose in diesem Land? Weil Unternehmen lieber billig im Ausland produzieren, anstatt Deutsche gerecht zu entlohnen. Warum wählt niemand die NPD? Weil die Partei dämonisiert wird und nationale Positionen im fremdbestimmten Deutschland nicht salonfähig sind. "Außerdem fordern wir die Todesstrafe für Kinderschänder!"
Der Hass schwappt über den Kirchplatz Starnbergs, knallt gegen die gegenüberliegende Wand und zerbröckelt dort. Kaum ein menschliches Ohr, das Hasselbachs Worte registriert - außer einer Handvoll Polizisten, die die Wahlkampfveranstaltung schützen. "So etwas muss eine Demokratie aushalten", sagt einer der Beamten.
Hasselbach muss die Demokratie aushalten. Irgendwann, bald hoffentlich, wird der Parlamentarismus überwunden werden und das Volk wieder herrschen, das deutsche Volk, das beste, schönste und stärkste aller Völker. Dafür kämpft er, und Kämpfen bedeutet auch Aushalten, Ertragen, Standhalten. Er ist Anfeindungen gewöhnt. Besonders schlimm war es, als er verdächtigt wurde, den Mordanschlag auf den niederbayerischen Polizisten Alois Mannichl verübt zu haben. Eine Nacht verbrachte er in einer Zelle in Passau und wurde verhört, dann ließen sie ihn wieder frei. "Lächerliche Anschuldigungen", sagt er. "Sinnloser Hass, bloß aufgrund meiner nationalen Gesinnung". Er nennt dies seine "revolutionäre Bewährungsprobe". Kurz vor Weihnachten war das, und beide Großeltern, väterlicher- und mütterlicherseits, luden ihn von der Familienfeier wieder aus. Nazi ja, Mörder nein. Aber so leicht kommt man ihm nicht bei - weder der Staat noch seine Familie.
Wenn Hasselbach über das spricht, was er "nationale Gesinnung" nennt, dann so, als sei es eben eine politische Einstellung wie "Linkssein" oder "Umweltbewusstsein". Als sei es eine Einstellung wie jede andere auch, die eben zum politischen Spektrum einer Gesellschaft dazugehöre. "Wenn wir das, was wir wollen, vernünftig ausdrücken, haben wir 50 Prozent der Deutschen auf unserer Seite", sagt er, und: "Von den Türken können wir uns einiges abschauen. Die Türken haben einen Zusammenhalt, der uns Deutschen fehlt. Die Familie gilt bei ihnen noch etwas. Sie stehen sich gegenseitig bei."
Seine Sätze spricht er druckreif, kein "äh", kein "irgendwie", kein "vielleicht". Sie beginnen sachte und heben dann langsam an, sie werden schneller, pointierter und schärfer, bis sie sich dann kurz in einer Maschinengewehrfeuer aus "Überfremdung", "Nation" und "Ausländer" steigern. Dann ruhen die Muskeln seines runden Gesichts wieder.
"Ich will nicht jede italienische Eisdiele schließen", sagt er, "aber eines Tages möchte ich mit der Transsibirischen Eisenbahn von Moskau nach Peking fahren und ich möchte dann nicht nur Gleiches sehen. Die Unterschiede der Völker müssen erhalten bleiben." Er glaubt, das Spiel spielen zu können. Das Spiel namens Demokratie, das Spiel namens "Medien", das Spiel namens "Diskurs". Denn, wenn er eines Tages gewonnen haben wird, wird er es umschmeißen und neue Regeln aufstellen. Dann werden die anderen nach seinen Regeln spielen müssen. Aber bis es so weit ist, wird er mitspielen, so gut er kann. Dafür hat ihn die NPD als parteilosen Direktkandidaten für den Wahlkreis München-Land aufgestellt. Einen 21-Jährigen ohne Ausbildung, ohne Erfahrung, denn die Personaldecke der NPD ist dünn.
Im Kindergarten sei ihm aufgefallen, dass es immer die ausländischen Kinder waren, die deutschen das Spielzeug wegnahmen, die streng rochen und sich prügelten. Hasselbach wächst in einer Altbauwohnung in Essen zusammen mit seiner Mutter, seinem Vater und seinem Bruder auf. Eine heile Welt, sagt er, bis auf das Asylantenheim am Rand der Siedlung. Ob er neben Abscheu vielleicht auch Mitleid oder Verständnis gefühlt habe? "Ich kann mich nicht um jedes einzelne Schicksal kümmern", wiegelt er ab. "Fakt ist: Es gibt in Deutschland 15 Millionen Ausländer - und das sind zu viele." Seine Finger ballen sich zur Faust. Als Hasselbach zwölf Jahre alt ist, zieht die Familie um, in eine Neubausiedlung im Nordteil der Stadt. Kein schlechtes Viertel, sagt er, aber voller Ausländer, die dem kleinen, etwas dicklichen Jungen angeblich Ärger machen. Hasselbachs Welt gerät ins Wanken. Ein Junge sucht nach Stabilität, wo sich alles verändert.
Im Fernsehen sieht er zufällig den Film "Nach Hitler - Radikale Rechte rüsten auf", in dem auch von der NPD die Rede ist. Die ARD-Dokumentation, die auf die Gefahren des Rechtsextremismus hinweist, wird zu seinem "Schlüsselerlebnis", wie er es selbst nennt. Er nimmt eine Telefonbuch-CD und tippt die drei Buchstaben NPD in die Suchmaske ein. Der 13-Jährige wählt die Nummer. "Die Leute waren sofort sehr freundlich." Sie laden ihn zu einer Veranstaltung ein, es ist der Beginn seiner politischen Aktivität. Vergeblich versucht sein Vater, ihn zu überreden, doch in die Junge Union einzutreten. Hasselbach überwirft sich mit den Eltern, zieht mit 14 Jahren von zuhause aus und in eine betreute Wohngemeinschaft. In dieser Zeit immer für ihn da: die Partei.
Mit 15 wird er Anführer einer neonazistischen Kameradschaft. Anfang 2005 geht Hasselbach nach München und gründet die Kameradschaft "Autonome Nationalisten München". Die Gruppen sind lose Vereinigungen meist junger Rechter. Ihre Forderungen sind radikaler als die der NPD, ihr Auftreten oft gewalttätig. Später verliert Hasselbach seinen Job bei Audi, weil er angeblich rechtsradikale Parolen verbreitet.
Patrick Gensing ist Journalist und Betreiber von npd-blog.info, wo er die "menschenfeindlichen Einstellungen der NPD" dokumentiert. Er sagt: "Philipp Hasselbach gehört ideologisch zu den verbohrtesten Anhängern und ist Teil des radikalen Flügels der NPD. Leute wie Hasselbach befürworten den Einsatz strategischer Gewalt. Auf Gewalt verzichten sie höchstens temporär, wenn es für ihre Ziele gerade sinnvoll ist."
Im Frühjahr dieses Jahres verurteilt ein Gericht Hasselbach zu einer dreijährigen Haftstrafe - ohne Bewährung -, weil er auf einer Beerdigung das Objektiv eines Fotografen zertrat, der währenddessen von anderen Rechten zusammengeschlagen wurde. "Über die Haftstrafe mache ich mir überhaupt keine Sorgen", sagt Hasselbach. "Ich habe einen guten Anwalt."
Längst kennt der 21-Jährige nur noch Rechtsradikale. Es gibt Beruflisten mit "national gesinnten" Personen; wenn Hasselbach einen Maler braucht, weißelt ihm ein rechtsradikaler Maler seine Wohnung. Wenn er einen Anwalt braucht, vertritt ihn ein rechtsradikaler Rechtsanwalt vor Gericht. Zwischen Zweiflern und Feinden gibt es keine Unterschiede mehr. Seine Freunde sind Rechte, und auch seine Freundin Jessi, die Mutter seiner gerade geborenen Tochter, ist eine "Nationale". Es gibt niemanden mehr, der ihn zum Zweifeln bringen könnte.
Jessi, 21, sitzt am Rande der Wahlkampfveranstaltung in Starnberg und wartet. Er weiß, was er will, sagt das zierliche Mädchen über Hasselbach, er zweifelt nicht. Ihre Tochter liegt in ihrer Trage und schläft. Am 8. August kam das Kind auf die Welt, drei Wochen zu früh. Gezeugt wurde es in ihrer ersten gemeinsamen Nacht im Dezember.
Im Wahlkampf ist es nicht leicht, dann muss Jessi sich alleine um die Einkäufe, den Haushalt und ihre andere Tochter kümmern. Jessi möchte bald wieder ihre Ausbildung zur Krankenpflegerin fortsetzen und arbeiten. Aber: Eine nationale Frau soll nicht arbeiten, sie soll liebende Mutter und kümmernde Hausfrau sein und nichts anderes als das. "Das momentane System zwingt Frauen ökonomisch zur Arbeit", sagt Hasselbach. Jessi schweigt. Dann sagt er: "Sollte meine Tochter irgendwann einen Schwarzen anschleppen, müsste ich Konsequenzen ziehen." Für einen Moment wird sein gemütliches Gesicht hart: "Ich würde den Kontakt zu ihr abbrechen."
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