NOTAR STATT STANDESAMT: LESBEN UND SCHWULE WERDEN SICH WEHREN: Rachsüchtiges Kalkül
Muss man sich wirklich über den bayerischen Sonderweg empören? Ist es so schlimm, wenn eingetragene Lebenspartnerschaften nicht beim Standesamt oder bei einer sonstigen Behörde registriert werden, sondern bei einem Notar? Ist es für Heiratswillige tatsächlich so wichtig, wenn sie ihr Jawort nicht vor einem Standesbeamten aussprechen?
Im praktischen Leben mag dies für Betroffene unwichtig sein. Vielleicht ist die Kulisse – und auf die kommt es ja an – in einem Notariat sogar schmucker als, beispielsweise, in einem Landesverwaltungsamt, wo Thüringen seine Homoehen schließen lassen will. Doch der Ort ist zunächst unwichtig – es zählen die Gründe, die die regierende CSU veranlassen, die Lebenspartnerschaften in die Advokatenzimmer zu verbannen. Und diese Gründe sind notorisch homofeindlich. Wenn man schon in Karlsruhe unterlegen ist, so das Kalkül, dann nutzt man zumindest im eigenen Land die Möglichkeiten aus, um den Abstand zum Standesamt, wo Heterosexuelle ihre Ehen schließen, so deutlich wie möglich zu markieren. Das macht abermals deutlich, für wie minderwertig weite Teile der Union homosexuelle Paare halten.
Stoibers altpatriarchaler Hinweis, „diese Paare“ schätzten ohnehin den verschwiegenen Weg, um einander das Jawort zu geben, weil dies „Tamtam“ verhindere, zeigt nur eines: dass für ihn eine Welt unvorstellbar ist, in der Schwule und Lesben geringen Wert auf verschämtes, peinliches Verhalten legen. Und zugleich droht er: Macht nicht solchen Lärm. Für ihn sind Homosexuelle immer noch nur denkbar als bankertes Hinterzimmerpersonal. Der verwaltungsrechtliche Witz ist ja ohnehin, dass die Notare mit den unterschriebenen Partnerschaftsurkunden zum Standesamt müssen, um sie im Personenstandsregister eintragen zu lassen.
Trotzdem wird Bayern die Uhren nicht zurückdrehen können. Homosexuelle werden es sich nicht nehmen lassen, die gesellschaftliche Mitte zu betreten. Am Standesamt hängt viel zu viel Symbolik, als dass man diesen Ort kampflos heterosexuellen Ehen überlassen kann. JAN FEDDERSEN
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