piwik no script img

NICHT NUR ARAFAT VERHINDERT DEN FRIEDEN – SONDERN VOR ALLEM ISRAELBrandstifter Scharon

Eine Lawine falscher Informationen rollt über die Welt. Ihre Kernaussage: Palästinenserpräsident Arafat ist schuld am Scheitern des Friedensprozesses im Nahen Osten. Als israelischer Jude muss ich leider sagen, dass die Schuld dafür hauptsächlich bei meiner Regierung liegt. Die Fortsetzung des Terrors hat nichts mit Arafat zu tun, sondern mit der von meinem Land betriebenen systematischen Zerstückelung der Palästinensergebiete.

Die Behauptung, Israel habe großzügige Zugeständnisse gemacht, stimmt nicht. Das klar sichtbare Ziel der israelischen Politik ist es, die Entstehung eines lebensfähigen palästinensischen Staates zu verhindern. Bis heute mussten etwa 250 Israelis und rund 1.000 Palästinenser sterben – aber nicht weil Arafat Haifa, Akko, Nazareth, Jaffo, Ramle und Lod zurückhaben wollte, sondern weil der israelische Premier Ehud Barak sich geweigert hat, die noch verbliebenen 22 Prozent des ehemaligen Palästina an die Palästinenser zurückzugeben.

Mit dem Osloer Vertrag haben die Palästinenser die Existenz Israels in den Grenzen vom 4. 6. 1967 anerkannt. Israel wiederum hat die UN-Sicherheitsbeschlüsse 242 und 338 akzeptiert und damit zugesichert, im Sechstagekrieg eroberte Gebiete an die Palästinenser zurückzugegeben. Aber was Barak anbot, waren nicht 97 Prozent des Westjordanlandes, wie er behauptet – sondern 97 Prozent der israelischen Vorstellung vom Westjordanland. So sollte etwa Großjerusalem annektiert bleiben.

Dass Israel nicht die Rückkehr von mehr als vier Millionen Flüchtlingen akzeptieren kann, ist auch für mich selbstverständlich. Nicht selbstverständlich aber ist die Weigerung Israels, sich zu der Mitverantwortung für die Flüchtlingstragödie zu bekennen. Israelische Historiker haben längst bestätigt, dass die meisten Palästinenser nicht freiwillig gegangen sind, sondern vertrieben wurden.

Man kann nicht erwarten, dass Arafat aus dem Terrorkreis aussteigt und die Hamas-Anschläge bekämpft, ohne seinem Volk auch Errungenschaften vorzeigen zu können. Scharon ist viel weniger als Arafat ein Partner für den Frieden. Es bedarf einer ernsthaften Intervention seitens der EU, um die Osloer Verträge von beiden Seiten aufrichtig zu verwirklichen. Sonst stehen nicht nur Israel und Palästina, sondern der ganze Nahe Osten und vielleicht auch Europa vor einem schrecklichen Brand. Das Feuer dafür hat nicht Arafat gelegt, sondern Scharon – der Mann, der heute Israel regiert. Und zwar demokratisch gewählt von einer erheblichen Mehrheit israelischer Wähler. RUVEN MOSKOVITZ

Der Autor war Sekretär der israelischen „Bewegung für Frieden und Sicherheit“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen