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NGOs in RusslandMedwedjew drängt auf Effektivität

Der Präsident trifft sich mit den richtigen Nicht-Regierungs-Organisationen und finanziert die Falschen. Staatlich gesteuerte Gongos greifen die Mittel ab.

Sucht er nach einer demokratischeren Perspektive für sein Land? Russlands Präsident Medwedjew. Bild: dpa

MOSKAU taz | Kremlchef Dmitri Medwedjew ist nicht zu beneiden. Der Raum für eigenständiges Handeln ist begrenzt. Wo immer der Präsident auftaucht, ist auch Ziehvater Wladimir Putin nicht weit. Umso mehr Aufmerksamkeit ist Medwedjew gewiss, wenn er den Trampelpfad der Macht verlässt und seines eigenen Weges geht.

Im Umgang mit der russischen Zivilgesellschaft versucht der Präsident einen eigenen Akzent zu setzen. 2009 gründete er einen Präsidentenrat, dem namhafte Menschenrechtler und Vertreter nichtkonformer NGOs angehören. Aktivisten, die Wladimir Putin noch als Störenfriede empfand und für vaterlandslose Gesellen hielt.

Expräsident Putin hatte andere Vorstellungen von Zivilgesellschaft. 2005 rief der Kreml eine Gesellschaftskammer (GK) ins Leben, die zivilgesellschaftliche Funktionen übernehmen sollte. Die Kammer beheimatet seither loyale und verdiente Honoratioren aus dem Vor- und Umfeld der Macht. Politisch ist sie indes irrelevant, denn als zivilgesellschaftliches Simulacrum verfügt sie über keine Rückbindung an die Gesellschaft. Die Imitation von Demokratie schlug fehl.

Treffen mit Vertretern dieser Kammer ließ Dmitri Medwedjew auf unbestimmte Zeit verschieben. Stattdessen empfängt er jetzt zum dritten Mal Mitglieder des Präsidentenrates. Dahinter steckt nicht unbedingt eine liberalere Gesinnung, mit der sich der Präsident im Unterschied zum Premierminister gerne schmückt. Ihm scheint vor allem an Effektivität gelegen zu sein. Die Menschenrechtler vermitteln ein klareres Bild über die Lage im Kaukasus und im übrigen Land als die interessengebundenen Sicherheitsstrukturen. Nicht zu übersehen ist allerdings, dass der Kremlchef auf der Suche nach politischem und gesellschaftlichem Rückhalt seine Fühler nach potenziellen Bündnispartnern ausstreckt.

Wie eng der Manövrierraum ist, belegt jedoch die Praxis der Geldvergabe an zivilgesellschaftliche Einrichtungen. Letzte Woche beauftragte der Kreml fünf Organisationen mit der Verteilung von 25 Millionen Euro an kleinere NGOs. Es sind die gleichen, die auch im Vorjahr die Gelder vergaben. Den größten Posten erhielt der Nationale Wohlfahrtsfonds, den der ehemalige KGB-Kommandeur Wladimir Nosow leitet. Der Staatsklubfonds für Kaderreserven wurde ebenfalls großzügig bedacht. Ihm sitzen Mitglieder der Staatspartei "Vereinigtes Russland" und der Leiter des Auswärtigen Komitees des Föderationsrates, Michail Margelow, vor. Auch andere Organisationen wie das Institut für soziale Konzepte sind in unmittelbarer Kreml-Nähe angesiedelt. Unabhängige NGOs werden aus russischen Mitteln nur in Ausnahmefällen finanziert. Mehr als die Hälfte der Gelder ging 2008 überdies an Einrichtungen in Moskau.

Die finanzielle Situation der NGOs lässt unterdessen zu wünschen übrig. Die NGO "Mutterrecht", die sich landesweit für die Rechte von Eltern in Friedenszeiten umgekommener Soldaten einsetzt, bemüht sich seit Jahren vergeblich um Unterstützung staatlicher Fonds. Besonders effektiv bei der Mittelbeschaffung erweisen sich die so genannten Gongos. Dahinter verbergen sich staatlich gesteuerte nichtstaatliche Organisationen. Sie sprießen seit Gründung der GK wie Pilze aus dem Boden. Beamte gründen etwa einen Verein für Behinderte, setzen einen Strohmann in die Leitung und kassieren staatliche Hilfe ab. Sie leisten aber keine Betreuung, bestenfalls geben sie bescheidene Summen an Notdürftige weiter. Wenn Hilfsanfragen kommen, weisen sie die Bittsteller meist an ehrenamtliche NGOs weiter.

"Es gibt inzwischen mehrere Hundert Gongos, die auch den größten Teil der staatlichen Förderung erhalten", meint Juri Dschibladse vom Zentrum für Demokratie- und Menschenrechtsentwicklung. Am Ende zwacke jeder etwas ab und es bleibe nichts mehr übrig. Die Gongos versuchen auch international und auf UN-Ebene gestandenen Menschenrechtsorganisationen den Platz streitig zu machen.

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