NGOs diskutierten über G-7-Gipfel: Kuscheln mit der Kanzlerin
Am Montag diskutierten NGOs im Vorfeld zum G-7-Gipfel im Juni mit Merkel über die G-7-Agenda. Die Kanzlerin hat Verständnis für alles.
BERLIN taz | Wie demokratisch ein Land ist, zeigt sich unter anderem daran, wie zivilisiert sich politische Gegner unterhalten. Und ob sie überhaupt miteinander sprechen. Deutschland ist demzufolge eine reife Demokratie, denn vor dem G 7 Gipfel im bayerischen Schloss Elmau Anfang Juni spricht Kanzlerin Angela Merkel mit Gewerkschaften, Frauengruppen, Umweltschützern, Entwicklungshilfegruppen und all den anderen Organisationen der Zivilgesellschaft, die was zur Weltpolitik zu sagen haben, aber vom Gipfel ausgeschlossen sind.
So wie gestern in Berlin. „Das wird kein Kuschelkurs“, verspricht Jürgen Maier, Direktor des Forums für Umwelt und Entwicklung, das den NGO-Dialog mit der Kanzlerin organisiert hat. Merkel versteht die Kritik der NGOs an G 7, an Freihandel und an dem bisherigen Wachstumsmodell der vergangenen Jahrzehnte.
„Das Bruttoinlandsprodukt reicht als Wachstumsmodell nicht aus“, sagt sie, doch wie Ressourcenschutz und Nachhaltigkeit in die Wirtschaftspolitik der stärksten Industrienationen der Welt aufgenommen werden, sagt auch Merkel nicht. Aber: „Ohne die G-7-Treffen wäre die Welt nicht besser.“
„Mein Premierminister nennt mich eine Terroristin“, sagt Maude Barlow vom „Rat der Kanadier“, einer Mischung aus kanadischer Attac und Umweltschutzverein beim Treffen mit Kanzlerin Merkel. Kanadas Regierungschef würde niemals mit den Kritikern des Handelsabkommens TTIP sprechen oder sich die Forderungen nach verantwortungsvollen Lieferketten, Naturschutzstandards für Minengesellschaften oder Schutz vor Landraub in Entwicklungsländern anhören. US-Präsident Obama auch nicht, und auch sonst haben nicht alle Ausrichterländer der G-7-Gipfel in den vergangenen Jahren mit den kritischen Gegnern ihrer auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftspolitik debattiert.
Über Ressourcen, TTIP und Meeresschutz
Maude Barlow sieht in dunkelblauem Kostüm und Perlenkette nicht so gefährlich aus, aber ihre Sätze enthalten Sprengstoff. „Die amerikanischen Unternehmen wollen weltweit die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen bekommen – das dürfen wir als Bürger der G-7-Staaten nicht zulassen“, fordert sie auf dem Treffen der zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den sieben Staaten der Gipfelteilnehmer. „Bei TTIP sichert die Elite das Geld von einem Prozent der Gesellschaft“, sagt Barlow, die schon den Alternativen Nobelpreis bekommen hat.
Dabei reichen den Konzernen die Landmassen der Erde zur Ausbeutung nicht mehr aus. Schon 22 Unternehmen suchen auf dem Grund des Pazifiks nach Gold, Mangan und anderen Schätzen. Der Tiefseebergbau verspricht enorme Gewinne, und deswegen stehen die Ozeane plötzlich mit auf der Agenda der G 7. Angeblich hat Obama Merkel gebeten, die Ozeane als Thema aufzunehmen, denn gerade amerikanische Firmen suchen Gewinne im Meer.
Aus Deutschland haben zwei Firmen eine Forschungslizenz des Bundeswirtschaftsministeriums für die Tiefen des Pazifik. Bevor Unternehmen Millionen im Meeresgrund investieren, fordern Naturschützer, dass doch bitte mal das Meer überhaupt erst erforscht wird. Meeresforscher haben gerade mal 5 Prozent des Meeresbodens untersucht, wissen also nicht, wie die biologischen Zusammenhänge im Meer sind. „Das Ökosystem Meer verstehen wir nicht, es sind schon die Hälfte der Korallen tot und 90 Prozent der Tiefseefische überfischt“, sagt Onno Groß von der Meeresschutzvereinigung Deepwave.
Er fordert ebenso wie die Meeresschützer aus den anderen G-7-Staaten, dass erst mal Umweltstandards für die internationalen Gewässer erlassen werden. Von Merkel und den anderen Regierungschefs fordern sie eine klare Aussage für Ressourcenschonung an Land und hohe Umweltstandards auf See. „Es wird ein paar Sätze im Kommuniqué geben – mehr nicht“, sagt Brigitte Schwadorf-Ruckdeschel, zuständige Abteilungsleiterin für Tiefseebergbau im Bundeswirtschaftsministerium.
Kanzlerin bleibt unkonkret
Auch Kanzlerin Merkel legt sich nicht fest, sie bleibt für den Meeresschutz unkonkret und macht keine Zusagen zu den Arbeitsstandards für die Arbeiter in den Zulieferbetrieben weltweit. „Selbst wenn ich in allen Punkten Ihrer Meinung wäre – ich verhandle schließlich nicht mit NGOs, sondern mit Regierungen“, sagt Merkel und verweist auf die anderen Gipfel in diesem Jahr, auf denen weiter debattiert und verhandelt wird über Klima, über die Entwicklungsziele der UN und die Finanzierung der Entwicklungshilfe.
Nur einen Punkt können die deutschen Umweltschützer der Kanzlerin zum Schluss abringen: dass sie sich dafür einsetzt, dass weniger Antibiotika in der Tiermast eingesetzt werden. „Das ist sicher sinnvoll“, sagt Merkel. „Die Tiere sind ja nicht ungesünder als die Menschen.“
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