NATO WILL IN MAKEDONIEN STATUS QUO WAHREN – DAS IST PARTEIISCH: Der schöne Schein der Neutralität
„Eine gewaltsame Veränderung der Grenzen wird die Staatengemeinschaft nicht zulassen“, erklärte Außenminister Fischer. Dies scheint zunächst wie eine weise und staatsmännisch zurückhaltende Position. Denn wer will schon ernsthaft, dass die Staatengemeinschaft eine „gewaltsame Veränderung der Grenzen“ zuließe? Fischer erklärt also im Namen der Staatengemeinschaft, den Status quo erhalten zu wollen. Dies alles klingt so, als verhalte sich diese Staatengemeinschaft politisch neutral. (Wobei nicht ganz deutlich ist, ob damit die UNO, die Nato oder die Gruppe der KFOR-Nationen gemeint ist.) Es wird der Eindruck erweckt, als schütze man lediglich geltendes Völkerrecht, zumal die heilige Unverletzlichkeit der Grenzen souveräner Staaten. Man sei entschlossen, so ist aus Berlin zu hören, die territoriale Integrität der Republik Makedonien zu wahren.
Diese Haltung ist nicht neu; Deutschland hat sich auch als erklärte Hüterin des Status quo in Bosnien-Herzegowina erwiesen, wo 20.000 Soldaten der SFOR für Ruhe, Sicherheit und Ordnung sorgen. Im Kosovo sind es 37.000, und ihre Zahl steigt. Die politische Frage ist nun, was tun all diese Soldaten, wenn sie den Status quo erhalten? Sind sie eine neutrale Macht oder selbst Partei?
Die Antwort hängt von der Perspektive ab und ist doch zugleich sehr einfach: Eine Kosovo Force, die den Status quo erhalten will, ist Partei. Denn sie erscheint allen albanischen Bemühungen um nationale Souveränität als Feind, und sie ist ein Freund aus der Perspektive Jugoslawiens und Makedoniens, die ein Interesse an dem Erhalt ihres Territoriums haben. Der „robuste“ Schutz des Status quo mit Nato-Truppen entspricht zwar ganz der Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Unterzeichner sich gegenseitig versichern, das „Recht eines jeden Staates auf [...] territoriale Integrität“ zu achten und „die Grenzen aller Staaten in Europa als unverletzlich“ anzusehen. Serbien befindet sich also in der „albanischen Frage“ in der angenehmen Lage, dass alle Staaten der KFOR-Truppen sich verpflichtet haben, keine neuen Grenzen in Europa zu akzeptieren, was eine souveräne Republik Kosovo genauso ausschließt wie „großalbanische“ Pläne. Von ihnen ist neuerdings dann die Rede, wenn an ein Staatengebilde gedacht wird, das alle albanischen Bevölkerungsgruppen umfasst. „Großalbanisch“ – das klingt wahrlich bedrohlich, fast nach Großdeutschland.
Allerdings haben sich die Signatarnationen der OSZE auch darauf festgelegt, die „Gleichberechtigung der Völker und ihr Selbstbestimmungsrecht“ zu achten: „Alle Völker“ hätten das Recht, „in voller Freiheit, wann und wie sie es wünschen, ihren inneren und äußeren politischen Status ohne äußere Einmischung zu bestimmen“. Sind die Albaner also kein Volk, weil ihr Nato, EU, UNO, KFOR oder Außenminister Fischer das Recht verweigern, über ihren „politischen Status“ selbst zu entscheiden?
Der Status quo, der für die Albaner nichts anders bedeutet, als kein Volk zu sein, das in Freiheit einen souveränen Staat bilden darf – dieser Status quo könnte langfristig dazu führen, dass die KFOR als Hüterin des Status quo als Feind der Albaner erkannt wird. An eine freiwillige Abtretung der albanisch besiedelten Gebiete durch Jugoslawien und Makedonien ist jedoch nicht zu denken. Und da jeder gewaltsamen Grenzänderung „robust“ begegnet werden soll, muss sich die Lage auf dem Kosovo beinahe zwangsläufig weiter zuspitzen, weil die „Staatengemeinschaft“ sich darauf festgelegt hat, von den Albanern im Kosovo und in den Grenzregionen Makedoniens zu erwarten, alle Hoffnungen auf nationale Souveränität aufzugeben.
Wenn die Status-quo-Politik die Nato derart zur Partei macht, dann kann es nicht verwundern, wenn der Nato-Rat bereits fordert, die Truppen aufzustocken. In Bosnien-Herzegowina sichern seit 1995 umfangreiche Nato-Kontingente das komplizierte Vertragswerk des Dayton-Abkommens, das Kroaten, Serben und Bosniaken in einem multiethnischen Staat vereint, ohne dass ein Ende des Einsatzes in Sicht wäre. Diese Operationen der Nato haben zwar „die Verträge geschützt“, aber bisher keinen Frieden geschaffen, der sich selbst erhalten könnte. Es gibt keinen Grund zur Hoffnung, warum dies im und um das Kosovo besser gelingen sollte. NIELS WERBER
Literatur- und Medienwissenschaftler in Bochum, arbeitet an einer Monografie zur „medialen Weltraumordnung“
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