MyGruni-Demonstration am Wannsee: Umverteilung auf Schwanenwerder

Satirisch unterwegs auf Schwanenwerder: Nach den Grunewaldvillen nehmen MyGruni-Aktivisten den Reichtum auf Insellage in den Blick.

Bunter Protestzug mit Badezubehör

Eine gut gelaunte Demonstration auf der Reicheninsel Foto: Darius Ossami

BERLIN taz | Ein Waldspaziergang mit Polizeibetreuung: Rund einhundert Menschen ziehen am Samstagmittag mit Bollerwagen, Sekt und Musik vom S-Bahnhof Nikolassee zur Wannseeinsel Schwanenwerder. Einige tragen Bademäntel, Schwimmreifen oder Luftmatratzen mit sich herum, andere halten Schilder hoch, auf denen „FKK-Spaß statt Nobel-Tristesse“ steht oder „Sozialer Wohnungsbau mit Seeblick – jetzt!“

Angemeldet wurde die Demonstration als „Springbreak auf Schwanenwerder“ vom „Quartiersmanagement Schwanenwerder“. Dahinter steckt die aktivistische Gruppe MyGruni, die seit einigen Jahren am 1. Mai auch im Villenviertel Grunewald unterwegs ist. Sie fordert unter anderem bezahlbaren Wohnraum und Bildung sowie eine gerechtere Umverteilung von Reichtum.

Gut gelaunte Demonstration

Eingestimmt vom „antikapitalistischen Jodelduo“ Esels Alptraum zieht die gut gelaunte Demonstration auf die Reicheninsel. Die De­mons­tran­t*in­nen fordern einen freien Uferzugang, der für die Öffentlichkeit auf der Insel nicht möglich ist, und bezahlbares Wohnen auf Schwanenwerder. Statt dem angekündigten „Halligalli“ gibt es satirische und hintergründige Redebeiträge rund um die Insel sowie einen Soundtrack aus erlesenen Songs rund um Strand, Urlaub und gutes Leben von Punk (Slime) bis Schlager-Trash (Cindy & Bert).

Frauke Geldher, MyGruni

„Hier ist noch viel Platz. Hier könnte man richtig schönen sozialen Wohnungsbau mit Seeblick machen“

„Wir haben eine extreme Wohnungskrise in der gesamten Stadt, überall wird nachverdichtet“, sagt Frauke Geldher von MyGruni zur taz. „Wir finden, nirgendwo könnte man besser nachverdichten als hier auf Schwanenwerder. Hier ist nämlich noch viel Platz, hier gibt es auch Leerstand und hier könnte man richtig schönen sozialen Wohnungsbau mit Seeblick machen.“

Die Demonstration umrundet die kleine Insel auf der einzigen Straße, Be­woh­ne­r*in­nen allerdings lassen sich dabei nicht sehen. Trotz der stets präsenten Polizei wird die Stimmung im Zug ausgelassen, die Reden werden launischer, was möglicherweise mit einem gestiegenen Sektkonsum zusammenhängen könnte.

Das Jodelduo stimmt einen selbst komponierten antikapitalistischen Schlager an, die Menge singt lauthals mit: „Hurra! Denn Umverteilung ist da!“

Unternehmer und Bankiers

In mehreren Redebeiträgen wird auf den historischen Hintergrund des satirischen Spektakels verwiesen: 1882 wird die Insel von einem Industriellen aufgekauft, aufgeschüttet und parzelliert. Bald lassen sich reiche Unternehmer und Bankiers in eigens errichteten Villen nieder, weswegen die Insel bald „Bonzenwerder“ genannt wird.

„Hier zeigt die Geschichte, ähnlich wie in Grunewald, dass sich reiche Leute abschotten, um nicht mit dem Rest des Lebens konfrontiert zu werden“, findet Frauke Geldher. „Diese soziale Segregation und Elitenbildung der Superreichen kann man in Schwanenwerder total gut beobachten.“

Wohlhabende jüdische Be­woh­ne­r*in­nen werden ab 1933 vertrieben, stattdessen siedeln sich NS-Größen auf der Insel an, darunter Joseph Goebbels. In einer „Reichsbräuteschule“ der SS werden junge Frauen gedrillt. Nach dem Krieg zieht der Zeitungsverleger Axel Springer auf die Insel.

„Es geht auch darum, den Blick auf die ungerechte Vermögensverteilung zu richten“, sagt Frauke Geldher. „Als armer Mensch muss man alles über sich preisgeben, man lebt eng zusammen und hat gar nicht die Möglichkeit, richtig privat zu sein. Reich zu sein bedeutet, man kann sich verstecken hinter hohen Zäunen, auf großen Grundstücken. Reiche müssen sehr wenig von sich zeigen, haben einen Schutzraum. Und wir sagen, wir lassen die Reichen nicht in Ruhe, sondern wir gucken da drauf, was machen denn die Vermögenden? Wer hinterzieht die Steuern? Bei Kriminalität denken die meisten an den Görli, niemand an Schwanenwerder. Diese ungleichen Maßstäbe sind das Problem.“

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