Mutmaßliches ETA-Mitglied verletzt: Foltervorwürfe gegen Polizei
Ein mutmaßlicher Etarra kam 15 Stunden nach seiner Verhaftung schwer verletzt ins Krankenhaus. Inzwischen wird gegen die spanische Polizei ermittelt.
MADRID taz Spaniens Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba musste am Montag seine Feiertagsruhe nach Dreikönig unterbrechen, um schwere Vorwürfe zurückzuweisen. Nicht nur die Presse stellte sich die Frage, ob die spanische Polizei foltert, wenn es um verhaftete Mitglieder der baskischen Separatistenorganisation ETA geht. Der Grund: In der Nacht zu Montag war der dreißigjährige Igor Portu, ein mutmaßliches ETA-Mitglied, 15 Stunden nach seiner Verhaftung ins Krankenhaus von San Sebastián eingeliefert worden. Er wies am ganzen Körper Blutergüsse auf. Ein Auge war angeschwollen, eine Rippe gebrochen, die Lunge perforiert, Luft aus dem Lungenraum hatte sich im Körper angesammelt. Gegenüber den behandelnden Ärzten beschuldigte Portu die Polizei, ihn "mit Tritten und Schlägen an Körper, Kopf und Gliedmaßen" so zugerichtet zu haben.
Innenminister Pérez Rubalcaba bestritt dies und versicherte, die Polizei habe "strikt im Rahmen des Antiterrorismusgesetzes gehandelt". Anders als der zweite Festgenommene, der unverletzt auf der Polizeiwache eingeliefert wurde, habe sich Portu gewehrt. Die Beamten hätten ihn daraufhin überwältigt, sich auf seinen Brustkorb gesetzt, ihn gefesselt und dann zum Wagen geschleppt. Die Verletzungen seien auf diesen Widerstand zurückzuführen.
Diese Schilderung der Festnahme lässt allerdings mehr Fragen offen, als sie beantwortetet. Denn sie erfolgte bereits am Sonntagmittag auf einer entlegenen Landstraße. Anstatt den Verletzten sofort einem Arzt vorzuführen, wurde Portu zunächst verhört und anschließend mitgenommen, um der Durchsuchung seiner Wohnung beizuwohnen. "Es muss nach seiner Verhaftung bis zu seiner Einlieferung ins Krankenhaus viel Zeit verstrichen sein, wenn sich so viel Luft im Körper verteilt hat", erklärten Ärzte gegenüber der Tageszeitung El País.
Neben zwei Pistolen, die die beiden Verhafteten in ihren Rucksäcken mitgeführt hatten, fanden die Beamten dort den Plan eines Waffenverstecks, in dem sie später Sprengstoff und Zünder sicherstellten. Es wird angenommen, dass die beiden mutmaßlichen Etarras einem Kommando von "Legalen" angehören, wie ETA die nicht untergetauchten Mitglieder nennt.
Die Reaktionen auf Portus mutmaßliche Misshandlung ließen nicht auf sich warten. 200 ETA-Anhänger versammelten sich noch am Montag vor dem Krankenhaus in San Sebastián und beschimpften die sozialistische Partei von Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero als "PSOE-Folterknechte". Die verbotene ETA-nahe Batasuna unterstützte diese Proteste. Die nationalistische Partei Eusko Alkartasuna bezeichnete es als "sehr schwerwiegend", dass Portu ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, "nachdem er durch die Hände der Guardia Civil gegangen ist". "Da stimmt so einiges nicht", erklärte auch der baskische Justizminister Joseba Azkarra. Alle Welt wisse, das es immer wieder zu Misshandlungen komme, auch "wenn das Innenministerium dies konsequent bestreitet".
Misshandlungs- und Foltervorwürfe gegen die spanische Polizei sind in der Tat nicht neu. Viele verhaftete Etarras erstatten deshalb Anzeige. Zu Verurteilungen von Polizeibeamten kommt es so gut wie nie. Was den einen als Beweis für die fehlende Rechtsstaatlichkeit in Spanien gilt, ist für die anderen ein deutliches Zeichen, dass ETA aus Propagandagründen falsche Vorwürfe erhebt. Unabhängige Quellen wie amnesty international bestätigen allerdings, dass auf Polizeirevieren Inhaftierte misshandelt werden. Das betreffe nicht nur Etarras, sondern auch Kriminelle und Ausländer. "Nach wie vor treffen Berichte über Folterungen und Misshandlungen durch Beamte mit Polizeibefugnissen ein, die weder systematisch noch in unabhängiger Weise untersucht wurden", heißt es im jüngsten Jahresbericht zu Spanien. Verfahren gegen verdächtige Beamte würden oft über Jahre verschleppt.
Das Gericht in San Sebastián eröffnete nun ein Ermittlungsverfahren gegen die an der Festnahme beteiligten Beamten der Guardia Civil. Innenminister Pérez Rubalcaba sicherte auf der Pressekonferenz den Richtern seine volle Unterstützung zu.
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