: Mutmaßlicher Brandstifter schwer belastet
Schwandorfer Wirtin will Angeklagten in der Tatnacht unweit des Tatortes gesehen haben / Staatsschutz ließ Spuren, die Josef Saller in Verbindung mit der FAP bringen, unbeachtet / Staatsanwalt und Verteidigung wehren sich gegen Aufdeckung der politischen Hintergründe ■ Aus Amberg Bernd Siegler
Mit einer sensationellen Wende endete vor dem Amberger Landgericht der vierte Verhandlungstag im Prozeß gegen den Aktivisten der „Nationalistischen Front“, Josef Saller, angeklagt wegen besonders schwerer Brandstiftung: Eine Wirtin aus Schwandorf bekundete unter Eid knapp eineinhalb Jahre nach dem Brandanschlag am 17.12.88 in Schwandorf, daß sie auf ihrem Heimweg in der Tatnacht den damals 19jährigen Josef Saller noch um ca. 1 Uhr unweit des Brandobjekts gesehen habe. Bei dem Anschlag auf ein Wohnhaus waren damals drei türkische und ein deutscher Staatsangehöriger getötet worden.
Demgegenüber behauptet Saller, der sein Geständnis widerrufen hat, er habe in jener Nacht bereits um 23 Uhr im Bett gelegen. Die Ermittlungen haben ergeben, daß das Feuer zwischen 0.15 Uhr und 0.30 Uhr gelegt worden war. Die Wirtin gab an, bislang wegen „Angst vor Polizei und Gericht“ und „heillosem Respekt vor Neonazis“ geschwiegen zu haben.
Vor dieser überraschenden Wende hatten die drei Nebenklagevertreter versucht, Licht ins Dunkel der Ermittlungstätigkeit der Polizei zu bringen. Ingo Schmitt -Reinholtz sprach von „Aufklärungsdefiziten“, denn insbesondere Sallers Einbindung in die „Nationalistische Front“ (NF) sowie seine Kontakte zur militanten „Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands“ (FAP) seien trotz vielfältiger Spuren nicht ermittelt worden. So waren bei Saller Briefe des NF-Generalsekretärs Schönborn, die an die obere Führungsebene der Kaderorganisation NF gerichtet waren, gefunden worden, ohne daß z.B. Mitglieder der NF -Führungsspitze jemals zu ihren Kontakten zu Saller befragt worden wären. Saller besaß nicht nur Adressenmaterial von FAP-Funktionären aus der ganzen Bundesrepublik, sondern bezog umfangreiches Propagandamaterial der FAP, stand in Briefkontakt mit dem Bereichsleiter Süd der FAP, Michael Swierczek, und wurde zu verschiedenen Treffen eingeladen.
Daß der Name des Schwandorfer NPD-Kreisvorsitzenden Josef Frank in Sallers Kalender unter der Rubrik „Im Notfall verständigen“ stand, war den Kripo-Beamten bei der Vernehmung von Frank nicht einmal eine Nachfrage wert. Der Amberger Staatsschutzbeamte Fetzer gab im Zeugenstand an, es habe „keine Erkenntnisse über derlei Kontakte gegeben“, ohne zu erklären, ob überhaupt ermittelt worden war.
Sallers Verteidigerin, Barbara Geiger aus München, versuchte die Fragen nach Sallers politischem Hintergrund zu unterbinden. Sie warf den Nebenklägern vor, hier einen „politischen Prozeß“ zu veranstalten. Staatsanwalt Demmel assistierte ihr dabei. Sallers organisierte Tätigkeit trage nichts zur Klärung der Schuld- und Straffrage bei, das sei lediglich „verlorene Zeit“.
Dagegen verwahrte sich Nebenklägerin Ute Stöcklein. Nicht nur für die Klärung von Sallers Motivation, sondern auch für die Beurteilung, ob ein Tötungsdelikt vorliege, z.B. Mord aus niederen Beweggründen, sei es wichtig zu wissen, wie stark Saller in die militante, aggressiv ausländerfeindliche NF eingebunden sei. Ihr Kollege Georg Rudolph betonte, daß es sich nicht um „Spekulationen“ der Nebenklage handeln würde, sondern ausschließlich um „Anknüpfungstatsachen aus den Akten“.
Doch die Hartnäckigkeit, mit der die Nebenklagevertreter auf die Aufklärung des Hintergrunds bestehen, zeigte bereits erste Erfolge: Bei der Durchsicht der bei Saller beschlagnahmten Gegenstände fanden sich zwei Bundesbahnkarten von Schwandorf nach Bielefeld und zurück, datiert vom 10. bzw. 12.12.88. Sie waren bislang nicht Bestandteil der Prozeßakten. Damit liegt es sehr nahe, daß Saller sechs Tage vor dem Brandanschlag am 4.Bundesparteitag der NF in Bielefeld teilgenommen hatte, was bislang von seiner Verteidigerin vehement zurückgewiesen worden war.
Nach mehr als einer Stunde Beratung erklärte der Vorsitzende der Jugendkammer, Richter Auernhammer, die Fragen nach dem politischem Hintergrund für zulässig. Den Beweisantrag, führende Funktionäre der NF und FAP zu laden, lehnte er jedoch ab, da es erwiesen sei, daß Saller „innerhalb der neonazistischen NF Führungsaufgaben wahrgenommen“ habe.
Der Prozeß wird am 17.April um 14 Uhr fortgesetzt.
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