■ Japans Regierung reagiert falsch auf die Wirtschaftskrise: Mutlos in Tokio
Japans neuer Finanzminister Hikaru Matsunaga kommt heute mit leeren Händen zum G7-Treffen in London. Ein Enttäuschung für die Finanzminister aus Europa und USA. Tokio will die Konjunktur nicht ankurbeln – obwohl alle Zahlen auf eine Rezession hinweisen. Denn Japans Wirtschaft wird 1998 nur um 0,2 Prozent wachsen. Pessimisten gehen sogar davon aus, daß die Rezession schon da ist.
Genau das Gegenteil behauptet die Regierung, die noch immer von einem Wachstum von 1,9 Prozent ausgeht. Und so tut sich die regierende LDP schwer mit substantiellen Maßnahmen. Nur massive Steuersenkungen könnten nach Ansicht der meisten Ökonomen die Kauflust der japanischen Konsumenten wieder anheizen. Doch die LDP will nur eine vorübergehende Steuererleichterung von knapp 30 Mrd. Mark. Das wird nicht reichen.
Angesicht der Pleitenwelle fürchten Nippons Arbeitnehmer gegenwärtig nichts mehr als den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Das hat einem Vorsorgedenken für härte Zeiten Vorschub geleistet. Dieser Reflex aus der Zeit der Aufbaujahre funktioniert in Nippon wie in keinem zweiten G7-Land. Und dieser Reflex wirkt wie Gift für die Konjunktur des Landes, in dem der private Konsum 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes ausmacht. Deshalb wird die Konjunktur ohne Ankurbelung des Privatkonsums nicht anspringen.
Die zersplitterte Opposition fordert nun langfristige Steuersenkungen, um dieses Ziel zu erreichen. Von 145 Mrd. Mark ist die Rede. Doch die Regierung tut sich schwer mit solchen Vorschlägen, die von ihr eine Kehrtwende in der Fiskalpolitik erfordern würden und zu einem Kabinettswechsel führen könnten. So regiert in Tokio gegenwärtig das Prinzip Hoffnung, dem es auch an Verantwortungsbewußtsein für die leidenden Nachbarn in Asien zu fehlen scheint. Wie ein Trostpflaster präsentiert die LDP ein Extradarlehen von 4,2 Mrd. Mark für die notleidenden Tiger. Es wird notabene der Export-Import-Bank von Japan, einer traditionellen Institution der Exportförderung, zur Verfügung gestellt. Diese Gelder helfen damit der heimischen Industrie mehr als den Asiaten.
Kein Wort über eine Ankurbelung der asiatischen Importe, das den angeschlagenen Tigern echte Hilfe böte. Die kleinlichen Maßnahmen Tokios dürften in London für heftige Kritik sorgen. Auch, weil der japanische Handelsüberschuß gegenüber den USA und Europa wieder drastisch gestiegen ist. Der Vorwurf, Tokio wolle sich mit Exporten aus der Krise katapultieren, wird immer lauter. Zu Recht. André Kunz
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen