Musterklage für mehr Selbstbestimmung: Flüchtlingsrat verklagt Hamburg
Der Flüchtlingsrat hat eine Musterklage gegen die Stadt eingereicht. Denn Geflüchtete dürfen oft nicht entscheiden, wer sie besucht.
Mit Blick auf diese im staatlichen Auftrag betriebenen Einrichtungen kritisieren Pro Asyl und der Flüchtlingsrat, dass „der Zugang für Ehrenamtliche und nichtamtliche BeraterInnen wird zu Beratungszwecken in aller Regel komplett verwehrt“ wird. Eine einheitliche Regel, er rein dürfe und wer nicht, sei nicht erkennbar und Vorgaben des Hamburger Senats, die öffentliches Recht und Europarecht berücksichtigten, seien „nach klägerischer Kenntnis“ nicht vorhanden, hieß es.
Die Kläger führen ein Musterverfahren, weil die Praxis in Hamburg und im mecklenburgischen Nostorf nach ihrer Ansicht typisch ist für viele Aufnahmeeinrichtungen in ganz Deutschland ist und außerdem der EU-Aufnahmerichtlinie von 2013 widerspricht (siehe Kasten).
Unterstützer, so lautet der Vorwurf, werden „aus wechselnden Gründen wie angeblicher Quarantäne aufgrund von Masern, Umbauarbeiten, fehlenden Räumlichkeiten, Öffnungszeiten oder auch ohne Nennung jeglichen Grundes“ abgewiesen. Gerade während der ersten Tage und Wochen des Asylverfahrens sei es jedoch wichtig, die Geflüchteten zu beraten. Die Menschen kämen aus den Lagern oft „faktisch nicht heraus“.
EU-Mitgliedstaaten müssen nach der 2013 neu gefassten Richtlinie 2013/33 sicherstellen, dass Familienangehörige, Anwälte oder Berater und Nichtregierungsorganisationen Zugang zu Unterkünften erhalten.
Die spezielle Situation von Schutzbedürftigen wie Minderheiten, unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, Alten, Schwangeren und Alleinerziehenden mit Kindern muss demnach besonders berücksichtigt werden.
In einer angemessenen Frist soll dazu beurteilt werden, ob jemand besonders schutzbedürftig ist.
Dem soll eigentlich die EU-Richtlinie 2013/33 Rechnung tragen. Sie schreibt vor, dass Berater und Mitarbeiter von anerkannten Nichtregierungsorganisationen Zugang zu den Unterkünften erhalten sollen, um den Schutzsuchenden zu helfen. „Der Zugang darf nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller eingeschränkt werden“, heißt es darin.
Die Richtlinie hätte bis zum Sommer 2015 in nationales Recht umgesetzt werden müssen, was der schwarz-rot dominierte Bundestag jedoch auf die lange Bank schob. Ein entsprechender Antrag, mit dem die Grünen auf eine Umsetzung drängen, hängt seit einem Jahr im Innenausschuss fest.
In der Praxis, berichtet der Flüchtlingsrat, seien in verschiedenen Fällen Hausverbote gegen Unterstützende ausgesprochen worden, etwa wenn Geflüchtete mit Informationsmaterial versorgt wurden. In anderen Bundesländern seien zum Teil auch Hausverbote gegenüber Journalisten und Landtagsabgeordneten ausgesprochen worden.
Abgeordnete können Unterkünfte besuchen
Zumindest die Hamburger Linksfraktion sieht an dieser Stelle keinen Grund, sich zu beschweren. Abgeordnete hätten die Unterkünfte problemlos besuchen können, zwar nur mit Anmeldung, aber manchmal auch kurzfristig, sagte Fraktionssprecher Florian Kaiser.
Der Zentrale Koordinierungsstab für Flüchtlinge sagt, dass es keinen gesetzlichen Anspruch auf ein allgemeines Zugangsrecht zu Erstaufnahmen gebe. „Es handelt sich bei diesen Unterkünften nicht um öffentliche Einrichtungen oder Gebäude in dem Sinne, dass sie der Allgemeinheit zugänglich sind“, sagte Kerstin Graupner, Sprecherin des Koordinierungsstabes.
Auch die EU-Aufnahmerichtlinie gewähre kein vorbehaltloses Zugangsrecht für Nichtregierungsorganisationen zu Flüchtlingsunterkünften. Schließlich lebten dort Menschen, die nach ihrer Flucht zum ersten Mal zur Ruhe kommen könnten und auch deshalb eines besonderen Schutzes bedürften.
„Selbstverständlich können Flüchtlinge Rechtsberatungen und Hilfen in Anspruch nehmen“, versicherte Graupner. Nach vorheriger Absprache und Anmeldung hätten Rechtsanwälte, Sozialarbeiter und Hilfsorganisationen Zugang. Auch können die Bewohner jederzeit die Unterkünfte verlassen und Büros von Nichtregierungsorganisationen aufsuchen.
Letzteres dürfte schwierig sein, wenn die Menschen in so abgelegenen Einrichtungen wie Nostorf/Horst untergebracht sind – bis zum nächsten Ort sind es rund acht Kilometer.
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