piwik no script img

MusterfassadenStefanie Bürkle

Die Formel vom Zusammenwachsen gilt nicht mehr. Sie hat sich mit dem Bauboom in Berlin erübrigt. Nur auf Bildern fürs Erinnerungsalbum sind die Lücken zwischen Ost und West erhalten geblieben – die neue Mitte ist so dicht bebaut wie die Fußgängerzonen von Köln bis Saarbrücken. Schön sieht es dort nicht aus.

Trotzdem hat sich die 1966 geborene Fotografin und Malerin Stefanie Bürkle in ihrer Arbeit einen Blick für die gewandelte Ästhetik der Hauptstadt bewahrt. Vor allem für Oberflächen und Details. Aus der Nahsicht scheinen sich die schicken Glasfassaden in beliebige Versatzstücke aufzulösen, in eine Klötzchenbauweise, die ohne jede architektonische Handschrift auskommt. Developer rechnen sich die neue Stadt allein nach ökonomischen Kriterien am Computer aus, der Rest ist Makulatur, eine Aufhübschungsmaßnahme, bei der jeder noch so schmucklose Dienstleistungswürfel mit ein wenig Marmor oder Schiefer verkleidet wird – mal klassizistisch, mal postmodern, inzwischen auch minimal und Techno-kompatibel.

In ihren Bildern verfolgt Bürkle, die Ende der Achtzigerjahre als Szenografin in Paris gearbeitet hat, die Spuren dieses mustergültigen Fassadendenkens: Bauen in Berlin, das ist eine charakterlose Angelegenheit, die sich in einer unentwegten Abfolge immergleicher Module erschöpft. Die Monotonie vor Ort setzt sie allerdings in eine Spannung zum politischen Umbruch, der sich historisch über das letzte Jahrzehnt hingezogen hat. Schließlich ist die Architektur der Großstadt nicht bloß ein zufällig zusammengewürfeltes Ensemble, sondern Ausdruck einer Art zu Denken, von Kultur.

Bei Bürkle geht der Vorhang der jüngsten Geschichte noch einmal auf: Berlin ist an der Unsicherheit gescheitert, mit der das Neue in der Gestaltung zwar gewünscht wurde, aber nur innerhalb der Bahnen einer althergebrachten städtischen Ordnung. Preußen und Avantgarde vertragen sich nicht – man sieht es am Ergebnis, bei dem sich die Spielereien in Glas und die Monumentalität der Bauwerke gegenseitig aufheben. Stefanie Bürkles „Fassaden“ sind noch bis zum 27. 1. 2001 bei Galerie & Projekte Kampl und Partner, Auguststraße 35 zu sehen. hf

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen