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Muslime und Islamkonferenz"Der Staat muss mit uns verhandeln"

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime hält die Islamkonferenz in ihrer derzeitigen Form für unsinnig. Ziel müsse sein, die großen Verbände als Religionsgemeinschaften anzuerkennen.

Im Fokus: Die Bundesregierung sucht bei der Islamkonferenz den Dialog mit MuslimInnen. Bild: dpa
Sabine am Orde
Interview von Sabine am Orde

taz: Herr Mazyek, seit Innenminister de Maiziere Anfang März zur zweiten Runde der Islamkonferenz geladen hat, stellt sich der Zentralrat der Muslime quer. Was stört Sie?

Aiman Mazyek: Wir stellen uns nicht quer, sondern wollen im Gespräch mit dem Minister unsere Sorgen und Bedenken anmelden. Bisher hat er auf unser Dialogangebot nicht direkt geantwortet.

Im taz-Interview hat der Minister klar gesagt, er spricht nur mit den Verbänden, die an einem Vorgespräch zur Islamkonferenz teilnehmen. Da waren Sie nicht. Aber noch einmal die Frage: Was stört Sie?

Bild: zentralrat der muslime
Im Interview: 

Aiman A. Mazyek, 41, ist Generalsekretär des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) und FDP-Mitglied und arbeitet als Publizist und Politikberater.

Islamkonferenz

Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will die Islamkonferenz inhaltlich und personell neu ausrichten. Dazu hat er die zehn muslimischen Einzelpersonen ausgetauscht und auch die Vertreter des Staates neu sortiert. Zudem hat er den Islamrat von der Teilnahme "suspendiert", weil gegen führende Repräsentanten des Mitgliedvereins Milli Görüs unter anderem wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt wird. Das erste Plenum der neuen Islamkonferenz, mit der die Bundesregierung den Dialog mit den Muslimen fördern will, ist für den 17. Mai geplant.

Der Islamrat ist einer der vier großen muslimischen Verbände, die sich im Zuge der ersten Runde der Islamkonferenz zum Koordinierungsrat der Muslime (KRM) zusammengeschlossen haben. Trotz zahlreicher Treffen konnte sich der KRM nicht auf ein gemeinsames Vorgehen bei der Islamkonferenz einigen. Die türkeinahe DITIB, der größte der vier Verbände, und der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) haben inzwischen an einem Vorgespräch im Bundesinnenministerium teilgenommen, der Zentralrat nicht. Er droht weiter mit Fernbleiben und macht seine Teilnahme von einem persönlichen Gespräch mit dem Minister abhängig.

Der Sachverständigenrat für Migration hat unterdessen Politik und Verbände aufgerufen, Zuwanderer besser über integrationspolitische Initiativen aufzuklären. Insbesondere die Deutsche Islam-Konferenz sei der Hälfte der Zuwanderer unbekannt, erklärte der Vorsitzende des von mehreren Stiftungen gegründeten Sachverständigenrates, Klaus Bade, am Montag in Berlin.

Bade forderte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf, die für den 17. Mai geplante Sitzung der Islam-Konferenz mit einer gezielten Informationspolitik zu begleiten. Er begrüße die Ankündigung de Maizières, "künftig mehr praktische Umsetzungsfragen in den Vordergrund zu stellen". Das werde "diesen wichtigen Dialog für einen größeren Teil der Muslime auch im Alltag relevant werden lassen".

Die bisherige Konzeption der Islamkonferenz berücksichtigt die organisatorischen Strukturen der Muslime nicht. Die Muslime organisieren sich in den Moscheen, diese wiederum sind meist Mitglied in den Verbänden, die sich im Koordinierungsrat der Muslime zusammengeschlossen haben. Der vertritt den überwältigenden Teil der Moscheegemeinden. Gemessen am Neutralitätsgebotes des Staates finde ich es höchst bedenklich, wenn der Innenminister Einzelpersonen zu Islamvertretern macht und gleichzeitig legitimierte Mandatsträger von Verbänden relativiert.

Die Verbände repräsentieren nur 20 Prozent der Muslime in Deutschland, viele fühlen sich vom Koordinierungsrat nicht vertreten.

Das sagt das Innenministerium, vor zwei Jahren sprach es selber noch von 15 Prozent. Wir beteiligen uns an diesen Zahlenspielereien nicht. Fakt ist: Das religiöse Leben findet nun mal voranging in den Moscheen statt und die Verbände des Koordinierungsrats vertreten davon den überwältigenden Teil. Der Staat hat keine andere Möglichkeit als mit diesen Institutionen zu verhandeln, wenn er es ernst meint mit der Integration des Islam in Deutschland, denn es gibt schlichtweg keine anderen Verbände. Insbesondere für diese Gläubigen ist es existenziell wichtig, wie Deutschland den Religionsunterricht organisiert, wie Imame künftig ausgebildet werden, wie schlussendlich der Islam relgionsverfassungsrechtlich in den deutschen Staat integriert wird.

Nun sind die Dachverbände keine anerkannten Religionsgemeinschaften und Ziel der Islamkonferenz ist es auch nicht, sie dazu zu machen.

Das ist genau, was wir kritisieren, denn es sollte sogar im Interesse des Staates sein diese Anerkennung zu forcieren. Das Konzept und die Struktur der Islamkonferenz sind aber so nicht angelegt, da haben Sie Recht. Der Grundfehler ist, dass das der Innenminister sie als Integrationskonferenz versteht. Die Islamkonferenz macht aber nur dann Sinn, wenn sie religionspolitisch begriffen wird und eng an verfassungsrechtlichen Prinzipien arbeitet. Gegenwärtig ist allenfalls ein Debattenspektakel für weitere vier Jahre zu erwarten.

Die Verbände erfüllen aber die Bedingungen für die Anerkennung nicht.

Ich weiß, dass es Mängel gibt. Aber dann müssen sich Staat und Verbände gemeinsam auf den Weg machen, um dafür eine Lösung zu finden.

Für die Anerkennung sind aber die Länder zuständig. Welchen Sinn hat die Islamkonferenz dann für Sie noch - oder ist sie schlicht überflüssig?

So krass würde ich es nicht ausdrücken, auch wenn das mit dieser Konzeption tatsächlich der Fall ist.

Teil Ihrer Kritik richtet sich gegen den Ausschluss des Islamrats wegen staatsanwaltlicher Ermittlungen gegen führende Repräsentanten des Mitgliedsvereins Milli Görüs. Nun wird in derselben Sache auch gegen ein einflussreiches Mitglied der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland ermittelt, die wiederum Mitglied bei Ihrem Zentralrat ist. Haben Sie Angst, dass Sie als nächstes rausfliegen?

Einflussreich ist Ihre Interpretation. Fakt ist, dass dieses Mitglied noch zu keiner Zeit ein Amt im Vorstand des Zentralsrats bekleidet hat und neuerdings auch nicht mehr Vorsitzender seines eigenen Mitgliedsverbands ist. Ermittelt wird übrigens seit vielen Jahren, ohne dass man je eine Anklageschrift gesehen hat. Ich frage mich, warum Herr de Maiziere nicht die elegante Lösung seines Vorgängers gewählt hat: Solange die Ermittlungen gegen die Person von Milli Görüs laufen, hat er dessen Arbeit in einer Arbeitsgruppe ruhen lassen - und nicht gleich den kollektiv ganzen Verband mit 300 Moscheen rausgeworfen. Wenn gegen ein Mitglied einer Kirche ermittelt wird, tut man das ja auch nicht.

Der Koordinierungsrat sollte mit einer Stimme sprechen und die Verbände so stärken. Bei der Islamkonferenz ist das Gegenteil der Fall: DITIB und der Verband der Islamischen Kulturzentren haben inzwischen an einem Vorgespräch teilgenommen, Sie machen Ihre Teilnahme weiter von einem Gespräch mit dem Minister abhängig. War's das mit dem KRM?

Im Nachhinein war es ein großer Fehler, dass die übrigen Verbände dem Hinhalten von DITIB, eine vereinsrechtliche KRM-Satzung zu unterschreiben, nicht entschiedener entgegen traten. Das hätte den KRM verbindlicher gemacht. Selbstkritisch sehe ich, was nun das Ergebnis ist: Die Aktionen in Sachen Islamkonferenz sind eher in die Kategorie Kakophonie einzuordnen. Der KRM bleibt sicherlich wichtiges Beratungsgremium aller muslimischen Spitzenverbände, nicht mehr aber auch nicht weniger.

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11 Kommentare

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  • RM
    Reiner Moysich

    Islam-Konferenz ist menschenrechtswidrig!

     

     

    Deutschland bekennt sich zu den Menschenrechten und bezeichnet sich als weltanschauungsneutral.

     

    Aber dann müsste die "Islam-Konferenz" völlig anders aussehen und andere Ziele haben.

    Es darf nicht darum gehen, Muslime an das von christlichen Politikern dominierte Deutschland anzupassen. Sondern es muss mit den Vertretern der wichtigsten religiösen und nichtreligiösen Weltanschauungen ein Weg gefunden werden, wie die sehr unterschiedlichen Weltanschauungen miteinander friedlich und sich gegenseitig akzeptierend umgehen können, also zum Beispiel Christen (wobei sich nur eine sehr kleine Minderheit in Deutschland so bezeichnen), Muslime, Juden, Buddhisten, Agnostiker, Atheisten.

     

    Der deutsche Staat verhält sich nur dann weltanschauungskonform und weltanschauungsneutral, wenn er sehr streng darauf achtet, dass keine Weltanschauung bevorzugt oder benachteiligt wird.

    Dies bedeutet, er muss alle menschenrechtswidrigen Bevorzugung einer Weltanschauungsrichtung abschaffen, z.B.:

    - Gottesbezug im Grundgesetz (stattdessen nur Bezug auf Menschenrechte);

    - Religionsunterricht (stattdessen Ethik und Weltanschauungskunde für alle);

    - Kirchensteuer (stattdessen Einzug der Mitgliedsbeiträge durch die Kirchen selbst);

    - staatliche christliche Feiertage (stattdessen nur weltanschauungsneutrale Feiertage, wie z.B. Friedensfest, Feste der Liebe, Gerechtigkeit, Natur).

     

    Nur so kann Integration und mehr Frieden gelingen!

  • MM
    mit Majo

    Die ganze Islamkonverenz ist überflüssig, das GG garaniert jedem in Deutschland die Religionsfreiheit. Wenn Sonderrechte für bestimmte Gruppen durchgesetzt werden sollen, kann man eine Partei gründen. Wir leben in einer parlamentarischen Demokratie und sind nicht auf dem Basar.

  • C
    claudia

    @Watcher:

    >>Ist unsere Politik-Elite zu nachsichtig oder zu blöd?

  • W
    Watcher

    Wenn das wahr ist "Außerdem haben es gewisse Moslemverbände dieser Konferenz verweigert, zu unterschreiben, daß für sie das deutsche Grundgesetz bindend ist." - warum gibt es diese verfassungsfeindlichen (grundgesetzfeindlichen) Verbände noch? Ist unsere Politik-Elite zu nachsichtig oder zu blöd?

  • IH
    Israel Hands

    Jesses! Der Moslem! Die Islamkonferenz! Das Kopftuch! Die Moschee! Der Kolat! Der Mazyek! Die Ditib! Der Mohammed! Daß doch bloß einmal endlich mal Ruhe wäre in unserem armen deutschen Vaterland ...

  • K
    Kati

    Wer etwas anderes schreibt, als taz-licherseits gewünscht, und es wagt, die Anerkennung des Grundgesetzes als Voraussetzung für Gespräche einzufordern, wird zensiert. Was zu beweisen war,taz.

    An welchem Staat habt ihr Interesse?

  • S
    soliman

    Der Islam muß als öffentl.-rechtl. Körperschaft anerkannt werden, genauso wie die anderen christl. Konfessionen und das Judentum, alles andere hat nichts mit Gleichheit vor dem Gesetz zu tun sondern mit Benachteiligung einer ganz bestimmten Religion, hier Islam, und damit tut sich der deutsche Staat keinen gefallen, will er denn tatsächlich die Muslime erfolgreich integrieren.

  • C
    Christoph

    Der Staat muss nichts, Herr Mazyek, in diesem Land gibt es Gesetze an die man sich halten muss und dazu bedarf es keine Islamkonferenzen, fragen sie sich mal besser, warum kein Buddhist auf die Idee gekommen ist, eine Buddhismuskonferenz zu machen, merkwürdigerweise leben die Buddhisten in privaten ihren Religion aus, ohne einem Palaver, ohne Beschuldigungen, ohne Forderungen zu stellen und Dauerbeleidigt zu sein.

  • BV
    Brian von Nazareth

    Da irrt Herr Mazyek vom Zentralrat der Muslime aber gewaltig. Welche Muslime stehen denn bitte hinter dem ZdM?

    Der Mehrheit ist sein verband nämlcih gar nicht bekannt, das hat doch die SVR-Studie vom Sachverständigenrat Integration festgestellt.

     

    Die Muslime in Deutschland sind in Wirklichkeit gar nicht organisiert - und interessieren sich vermutlich auch nicht großartig für den ZdM. Wenn auf der Islamkonferenz dann auch noch irgendwelche dubiosen Gestalten rumspringen, die de Maizière auch noch mit einer Einladung aufwertet, dann stellt sich die Frage: Muss das denn wirklich sein?

     

    50 Jahre hat Deutschland geleugnet, ein Einwanderungsland zu sein. Und nach 4 Jahren sollen plötzlich die muslimischen Einwanderer adäquat organisiert sein? Da sind die MenschenhaSSer von PI mit ihren "Ortsgruppen" ja besser grimminell vereinigt ...

  • E
    elke

    Es drängt sich doch nur der Verdacht auf, daß mit dem Islam etwas nicht stimmt, wenn mit großem Aufwand speziel für Moslems eine Konferenz eingerichtet wird, an der dann nicht nur Moslems teil nehmen sondern auch die "Türkische Gemeinde in Deutschland", was ja suggeriert, daß sie von den Moslems legitimiert wurde.

     

    Außerdem tauchen dort zwielichtige "Persönlichkeiten" wie Ibrahim el-Zayat auf,die ganz unverhohlen öffentlich den Umsturz verkünden ["Dieses Land ist unser Land und es ist unsere Pflicht, es positiv zu verändern. Mit der Hilfe Allahs werden wir es zu unserem Paradies auf der Erde machen, um es der islamischen Ummah (Weltgemeinschaft) und der Menschheit insgesamt zur Verfügung zu stellen."].

     

    Außerdem haben es gewisse Moslemverbände dieser Konferenz verweigert, zu unterschreiben, daß für sie das deutsche Grundgesetz bindend ist.

     

    Muslime haben auch offensichtlich Schwierigkeiten, sich mit Menschen anderer Kulturen zu arrangieren. Mit dem Westen stehen sie in blutigem Konflikt (allen voran mit Israel und den USA, aber auch die Anschläge in London und Madrid und jetzt Moskau nicht vergessen), mit Russland (Tschetschenien), mit afrikanischen Stämmen (Darfur, Somalia), mit Indien (Kaschmir, Anschläge von Bombay) und jetzt auch noch mit China. Man bekommt fast den Eindruck, dass sie mit Aboriginees und Amazonasindiandern nur deshalb keine blutigen Auseinandersetzungen haben, weil es keine geographischen Berührungspunkte gibt. Wo es Berührungspunkte mit anderen Kulturen gibt, herrschen fast ausnahmslos kriegsähnliche Zustände. Und das übrigens schon seit 1400 Jahren.

    Und da soll ich glauben, das sei immer die Schuld der anderen?

  • RB
    Rainer B.

    Tatsache ist, dass bis dato kein Islamverein demokratisch legitimiert ist. Ferner sehe ich in einem säkularen Staat keinerlei Notwendigkeit religiös motivierte Vereine mit politischer Kompetenz auszustatten. Glaube ist nuneinmal Privatsache. Als Atheist und somit Angehöriger einer "Glaubensgruppe", die immerhin 25% der Bundesbürger ausmacht, verlange ich auch keine politische Einflußnahme und Interessenvertretung.