Muslimbrüder demonstrieren für Mursi: „Marsch der Millionen“ in Kairo
Der Ramadan hat begonnen, die Mursi-Anhänger finden sich mit dem Putsch gegen ihren Präsidenten nicht ab. Doch Mursis Rückkehr ist so gut wie ausgeschlossen.
KAIRO taz | Es ist voll und stickig vor der Rabaa-al-Adawia-Moschee. Einige Männer haben sich feuchte Handtücher auf den Kopf gelegt. In einer schattigen Ecke sitzt eine Frau, auf ihrem Kopftuch schmelzen die letzten Reste einer Handvoll Eiswürfel. Auf dem Platz vor der Moschee in dem Kairoer Protestcamp der Mursi-Anhänger schmiegen sich die Demonstranten Schulter an Schulter aneinander und skandieren ihre Parolen.
Am ersten Freitag im Fastenmonat Ramadan, eineinhalb Wochen nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär, haben dessen Anhänger noch einmal ihre Stärke gezeigt. Die Islamisten hatten zu einem „Marsch der Millionen“ aufgerufen, um die Rückkehr Mursis in den Präsidentenpalast zu fordern. Am Freitag strömten Mursi-Anhänger aus dem ganzen Land in die Hauptstadt. An den Zufahrtsstraßen nach Kairo stationierte die Armee Panzer.
„Ich bin nicht hier, um Mursi zu verteidigen“, sagt Hassan Syam, ein 25-jähriger Jurist, „ich bin hier, um meine Stimme zu verteidigen. Es geht um die Legitimität.“ Das Wort hat sich als Kampfbegriff der Pro-Mursi-Demonstranten durchgesetzt. Mit ihm stellen sie die vermeintliche Legitimitätskrise des entmachteten Präsidenten infrage, mit der Mursis Gegner den Militärputsch rechtfertigen.
Vor der Rabaa-al-Adawia-Moschee ist man der festen Überzeugung, dass Mursi der vom Volk gewollte Präsident ist. „Wenn wir nicht jetzt für unsere Freiheit kämpfen, dann wird die Revolution endgültig verloren sein“, ruft ein Demonstrant, der sich vor Verzweiflung geradezu in Rage redet. „Wir sind die Revolution, wir sind das Volk“, lautet einer der Sprechchöre der Demonstranten, „Mursi ist unser Präsident.“
Doch eine Rückkehr Mursis ist so gut wie ausgeschlossen. Der Chef der Übergangsregierung Hasem al-Biblaui will am Sonntag mit den Gesprächen zur Bildung eines Kabinetts beginnen. Er gehe davon aus, dass es bis Ende kommender Woche vereidigt werden könne, sagte er am Freitag. Die Muslimbrüder und andere Anhänger Mursis lehnen eine Beteiligung an dem Kabinett jedoch kategorisch ab.
Allerdings spricht auch die Muslimbruderschaft nicht mit einer Stimme. Jüngere Mitglieder der Organisation werfen Mursi und seiner Führungsriege Versagen vor. Nach eigenen Angaben haben etwa 500 jüngere Mitglieder die Bewegung „Muslimbrüder ohne Gewalt“ ins Leben gerufen. „Die Gemeinschaft (der Muslimbrüder) hat beim Regieren versagt“, kritisierte ihr Mitbegründer Ahmed Yahya in der Zeitung al-Masry al-Yaum, „da sie die Opposition nicht einbezogen, ihre Meinung unterdrückt und die Jugend vernachlässigt hat“.
Die Bewegung fordert das sofortige Ende jeglicher Gewalt, die Freilassung Mursis sowie eine Neuwahl des Präsidenten.
Leser*innenkommentare
Michel
Gast
Nun ja, Mursi ist offen und demokratisch von einer Mehrheit gewählt worden.
Was passiert denn, wenn der nächste ägyptische Regierungsschef auch nicht so schnell liefern kann? Treffen sie sich dann alle wieder auf dem Tahrir-Platz um seinen Rücktritt zu fordern?
Ich hätte nie gedacht, mal Sympathie mit Islamisten zu haben.
Aber die Ägypter müssen noch lernen, dass der Weg zu einem Regierungswechsel in einer Demokratie alle vier Jahre über die Wahlurne erfolgt, nicht über Demonstrationen und Militärputsche.
Aber vielleicht haben die Ägypter alle auch nur viel mehr Spaß beim protestieren und demonstrieren...ist ja sonst nicht so viel los!