Musikkonferenz "all2gethernow": Vermarktung von Pop 2.0
Nach dem Popkomm-Aus beginnt am Dienstag in Berlin die Konferenz "all2gethernow" zur Zukunft der Popbranche.
Als im Juni die Berliner Musikmesse Popkomm abgesagt wurde, war das Unverständnis groß. Nicht über die Absage an sich wunderten sich die Musikschaffenden - S.O.S.-Signale von der Musikindustrie ertönen inzwischen so regelmäßig wie Staumeldungen im Verkehrsradio -, die Begründung dafür war hanebüchen. Illegale Downloads schlügen "voll auf die Musikwirtschaft durch", sagte Branchenmufti Dieter Gorny. Daher könne die Branche sich keine Musikmesse mehr leisten, die Popkomm würde zumindest 2009 aussetzen. Immerhin führte Gornys öde Zuspitzung nun zu einem positiven Nebeneffekt.
Knapp zwei Monate nach Bekanntgabe des Popkomm-Aus hat sich mit "all2gethernow" eine Plattform etabliert, die ab Dienstag über musikrelevante Zukunftsfragen in Berlin einen eigenen Kongress abhalten wird, flankiert von zahlreichen Konzerten in der ganzen Stadt. Ein erster wichtiger Schritt aus der Krise der Krise: Die technologiefreundliche "all2gethernow" verteufelt das Internet nicht pauschal, sie sieht es als grundlegend an für die Zukunft des Musikgeschäfts. "Aus unserer Sicht sorgt das Netz dafür, dass die Kluft zwischen Künstlern und Fans verringert wird", erklärt der Vorsitzende der "all2gethernow", Andreas Gebhard, der taz. Weder helfe das Anprangern von illegalen Downloads, noch schafften Künstler, die von der Industrie an die kurze Leine genommen werden, kreative Höchstleistungen.
Das Wort "Fachmesse" wird bewusst vermieden. Besuchen kann die Veranstaltungsreihe jeder, der den symbolischen Obolus von 12 Euro entrichtet. Sie ist unterteilt in ein zweitätiges Workshop-"Camp", eine "Conference", die dessen Ergebnisse zusammenfasst, und einen "Cloud" genannten Konzertmarathon, der gleichzeitig an vielen Orten Berlins stattfinden wird. Unter dem Schirm "all2gethernow" hat sich ein breites Bündnis aus Kreativen, Internetaktivisten und Konzertveranstaltern zusammengetan, um über die Rahmenbedingungen der Branche zu debattieren.
"Das steht Berlin gut zu Gesicht, eine bunte und nicht ganz fertige Mischung zu haben", sagt Gebhard. Er findet es selbstverständlich, dass die Gentrification-Kritiker von "Media-Spree-Versenken" zum Thema "Kreativität braucht Freiräume" sprechen werden und der FDP-Politiker Andreas Dahrendorf über "Die Bedingungen der Kreativwirtschaft" nachdenken wird. GEMA-Befürworter werden ebenso am Diskussionstisch sitzen wie ihre Gegner von der Piratenpartei. Die "Kulturflatrate" wird ein Thema sein, Betreiber von Musikblogs und Netradios werden über ihre Arbeitsbedingungen sprechen. In einer Mischung aus Präsentation und Diskussion sollen Geschäftsmodelle der Zukunft erläutert werden, um diejenigen zum Weitermachen zu ermuntern, die diese jetzt schon betreiben.
Vermarktung von Pop 2.0
Musik ist eine Ware mit besonderer Aura. Über ihre Vermarktungsstrategien streitet man sich schon, seit US-amerikanische Bluesgitarristen im frühen 20. Jahrhundert bei Medicine-Shows in Bierzelten zweifelhafte Produkte angepriesen haben. Das Nebeneinander von Trash und Innovation macht Popmusik auch heute zu einem Lotteriespiel mit vielen Unbekannten.
Dass Teilnehmer des "all2gethernow"-Camps große Namensschildchen erhalten, auf denen ihre Berufsbezeichnungen steht, und "Sessions" abhalten statt Vorträge geben - geschenkt. Man könnte ob des IT-Jargons der "all2gethernow" sogar beim Sektenbeauftragten vorstellig werden. Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass eine Debatte über die Zukunft der Musikindustrie endlich kontrovers geführt wird.
Vom 15. bis 18. September in Berlin, Alte Münze
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