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Musikcover-Designer Anthony FrostHooligans und Ikonoklasten

Kontrastreich in Blau und Rot sind Anthony Frosts Gemälde. Kunst, die mit der Kultband The Fall zu tun hat, zeigt eine Ausstellung in London.

"Ganz klar verkehrt rum": Cover der The-Fall-Platte "Extricate". Bild: Plattencover

"Das Bild steht auf dem Kopf", sagt Anthony Frost und lacht. Der Endfünfziger aus Westcornwall hält ein Plattencover in seinen Händen. Es ist "Extricate" (1990), ein Album von seiner Lieblingsband The Fall, für die er das Cover gestaltet hat. "Ganz klar verkehrt rum", sagt Frost, lacht noch mal und betont: "So wird ein Fall-Cover daraus".

Die nordenglische Band wird wahlweise als die brillanteste oder unberechenbarste Combo des Weltkreises beschrieben. Ihre Fans weisen darauf hin, dass das eine ohne das andere nicht geht. Wahrscheinlich haben sie recht damit. The Fall sind eine tobende Ordnung aus Alkohol, Fußball und Bilderstürmertum. Sie sind darüber hinaus eine höchst einflussreiche Band, die seit den späten Siebzigern Hooligans und Intellektuelle gleichermaßen begeistert. Und Künstler haben nicht nur für The Fall gearbeitet, sondern sich auch von der Band beeinflussen lassen. Diesem Kontext geht derzeit die Ausstellung "Paintwork # 2" in der Londoner SW1 Gallery nach. Organisiert wird die Schau von der Berliner Galerie Praxis Hagen, wo vor Jahren bereits Teil 1 zu sehen war.

Anthony Frost erinnert sich, wie er vor fast 30 Jahren einen längeren Brief an Mark E. Smith, den Chef, Sänger und Texter der Band, schrieb. Frost hatte ihr Album "Dragnet" (1979) gehört, war von Smith Sermon völlig überwältigt und teilte dem Fall-Sänger nun mit, dass er ihn mit Captain Beefheart vergleiche. Es ist von Vorteil, mit seinen Idolen auf Augenhöhe zu reden, denn der Adressat schrieb zurück: "Sonst bekomme ich nur Briefe, in denen gefragt wird: Wie kann ich eine Band gründen? Und kannst du mir ein paar Badges schicken"? Seitdem sind der Maler und der Antistar miteinander befreundet.

Frosts Bilder passen zu The Fall. Er malt in leuchtenden Farben. Viel Blau und Rot ist auf seinen abstrakten Gemälden und Collagen zu sehen, viel Kontrast. Das wird richtig bunt, gar nicht so grau und existenzialistisch nebelverhangen, wie man es von einem Fall-Fan eventuell erwarten würde. Nicht umsonst hieß seine letzte Ausstellung "The Sound Of Colour". Frost hört viel Musik beim Malen und schwört dabei auf altmodische Kassetten. Er geht sogar so weit, dass er seine Werke nach der Musik betitelt. "Big-Eyed Beans From Venus" und "Grow Fins" heißen Gemälde, benannt nach Alben eines von ihm ebenfalls geschätzten Künstlers: Der mysteriöse Captain Beefheart, der in den frühen Achtzigern die Musik an den Nagel hängte, um fortan nur noch unter seinem bürgerlichen Namen Don Van Vliet zu malen. Beefheart meinte einmal sibyllinisch, er mache nun eben einfach Musik auf der Leinwand. Frost wiederum sagte unlängst in einem Interview, er wolle auf der Leinwand das visuelle Äquivalent eines überwältigenden Hörerlebnisses schaffen. Dazu gehört auch Irritation. Beim flüchtigen Betrachten könnte man auf dem Cover von "Extricate" eine Bombe mit Zündschnur erkennen. Es ist aber ein Geschenkpaket mit Kordel.

Irgendwas stimmt auch nicht mit dem Bild zu "Imperial Wax Solvent" (2008), dem grandiosem jüngsten Fall-Album. Wo kommt bloß der schwarze Strich her, der durch das Cover geht? Das Original-Gemälde heißt "Blue Rush" und wurde als Einladung für eine Ausstellung Frosts im kleinen Cornwall-Küstenstädtchen St. Ives verwendet. Auf wundersame Weise bekam die Karte in Mark E. Smiths Tasche aber einen Knick. Das hinderte diesen nicht daran, ausgerechnet diese Einladungskarte in die Druckerei zu schicken. Da ist der Knick nun verewigt: auf der LP und der CD, den T-Shirts und Buttons.

Frost, ein studierter Maler, der ganz und gar unakademisch wirkt, richtet übrigens auch Seminare und Workshops für angehende Künstler aus. Ihnen spielt er im Unterricht dann Musik von Dinosaur Jr. oder PJ Harvey vor. The Fall oder Captain Beefheart laufen aber nur in seinem Atelier. Man hätte ihn als DJ buchen sollen, wenn er nun mit einem Dutzend anderer von The Fall inspirierter Künstler in London besagte Gruppenausstellung bestreitet.

Dort wird auch der Amerikaner Dave Muller seine gigantischen Arbeiten nach Plattencovern zeigen. Der dänische Amerikaner Claus Castenskjold ist ebenfalls mit von der Partie. Castenskjold, bei dem der Stil von George Grosz auf Punk trifft, gestaltete die Achtzigerjahre-Alben von The Fall und außerdem "Mother Juno" vom Gun Club. Knud Odde, ein weiterer Däne und ehemaliger Mitstreiter Lydia Lunchs, stellt ausdrucksstarke Porträts aus. Von Pascal Le Gras kommen abstrakt-expressive Figuren und Symbole, die seit den technoiden Neunzigern die Fall-Cover dominieren. Der Berliner Israeli Safy Sniper schließlich zeigt Videokunst, in der er den Auftritten von Popstars wie Elvis oder Barbara Streisand durch das stetige Wiederholen kurzer Sequenzen völlig neue Seiten abgewinnt. Mit seinen Loops bestreitet Sniper seit geraumer Zeit das Vorprogramm bei Fall-Konzerten.

Dass die Ausstellung nun ausgerechnet in London gezeigt wird, ist eine weitere schöne Ironie. In seinem Song "The North will rise again" ließ der eingefleischte Mancunian Mark E. Smith 1980 in der britischen Hauptstadt einen Aufstand von brueghelschen Proportionen losbrechen.

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